Die finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse Italiens im fünften Kriegshalbjahr 309
gestempelten Papieres, die Erhöhung der Taxen für Motorräder, Automobile und Motor
boote, die Erhöhung der Abgaben auf Liegenschaften und gewisie Kategorien beweglicher
Profite, die Einführung des „Kriegsrestes" auf Mietzinse, das Verkaufsmonopol für
Spielkarten, die Abänderung der Telegraphen- und Posttaxen verordnet. Die Regie
rung verfügte ferner zur Hebung des Absatzes ihrer Renten, daß die Aktiengesellschaften
% des Gewinnes, der wegen der Begrenzung der Dividendensätze unverteilt bleibt, in
Staatspapieren anzulegen haben.
Bis zuin November 1916 war die italienische Regierung allen Erörterungen über den
Stand der Lebensmittelversorgung aus dem Wege gegangen. Sie hatte die öffentliche
Meinung in dem Glauben gelassen, als ob ein eigentliches Versorgungsproblem für
Italien nicht existiere, die Bevölkerung habe nur mit einer unvermeidlichen Steigerung
der Lebensmittelpreise zu rechnen, die, wie die „Kölnische Zeitung" (21.X.16) nach amtlichen
Feststellungen aus 43 italienischen Städten mitteilte, vom August 1915 bis August 1916 fol
gende Veränderungen erlitten hatten: Aufschläge: Teigwaren 10,5 %, Rindfleisch 13,8%,
Zucker 15,9%, Del 16%, Milch 12.6%. Abschlag: Brot 7,6%. Seit Jahresfrist
betrug die durchschnittliche Preiserhöhung bei den Hauptnahrungsmitteln 7,1 %, der Ge
samtaufschlag seit Juli 1914 30,4%. Die Preiserhöhungen seit Kriegsbeginn sind in den
verschiedenen Städten sehr ungleich. Sie betragen in Turin 33,42 %, Genua 30,12 %,
Mailand 20,22%, Udine 39,57%, Florenz 32,89%, Ancona 41,64%, Rom 17,31%,
Neapel 30,62%, Tarent 54,81% usw. Jedoch unter dem Eindruck der Kohlennot,
einer Folge des Mangels an Schiffsraum sowie der zwischen England und Italien
vereinbarten ermäßigten Frachtsätze, für die die Schiffahrt nicht transportieren wollte,
und infolge der Nachrichten aus den Getreide exportierenden Ländern über Mißernten
war man ängstlich geworden und gab nun zu, daß in der Versorgung mit Brotgetreide
Schwierigkeiten eintreten könnten. Die Bevölkerung sollte zunächst sachte an den Ge
danken einer Verbrauchseinschränkung gewöhnt werden. Das Leitmotiv in allenMinister-
reden wurde infolgedessen der Hinweis aus die Notwendigkeit, mit den Lebensmitteln
sparsam umzugehen, weil sonst der Krieg nicht glücklich zu Ende geführt werden könne.
Schließlich hielt es die Regierung doch auch für nötig, der öffentlichen Meinung über
den Stand der Ernährungssragen klaren Wein einzuschenken. Es geschah dies in einem
Artikel des „Carriere Economico" vom 2. November 1916, dessen Inhalt von den
meisten Zeitungen mehr oder weniger ausführlich übernommen wurde. Der Artikel
sollte zeigen, daß die Regierung ihre Pflicht vollständig erfüllt habe. Sollten Kom
plikationen, besonders in der Getreidesrage (es fehlten 25 Millionen Doppelzentner)
eintreten, so müßten die Ursachen nicht in einem Mangel an Voraussicht der Regierung,
sondern in der allgemeinen Kriegslage gesucht werden.
Von den verschiedenen Maßnahmen der Regierung zur Einschränkung des Ver
brauchs sind zunächst die Verordnungen über die Kontrolle des Zuckerverbrauchs durch
den Staat und die Beleuchtungseinschränkungen zu erwähnen. So verordnete
ein Erlaß des Reichsverwesers vom 16. November 1916, daß alle öffentlichen Ausschänke
in Italien abends 10.30 schließen müssen und nicht vor Tagesanbruch wieder öffnen
dürfen. Auch die städtische Straßenbeleuchtung wurde vermindert. Am 3. Dezember
unterwarf ein Dekret des Statthalters auch den Fleischverbrauch der Kontrolle der
Regierung, insofern als vom 1. Januar 1917 ab in jeder Provinz ein besonderer
Ausschuß die Zahl der Schlachttiere festzustellen hatte, und verbot am Donnerstag und
Freitag jeder Woche den Fleischverkaus an das Publikum. Der Verkauf von Geflügel
wurde aus 3 Wochentage beschränkt.
Ein anderes Dekret des Reichsverwesers, das am 16. Dezember 1916 bekannt gegeben
wurde, verordnete, daß in Restaurants, Hotels usw. ein Mittagessen nur noch aus 2, ein