Volltext: Der Völkerkrieg Band 13 (13 / 1918)

D i e innere Politik und Personalien 
233 
„Semtschiva" so oft und laut der Gedanke eines Sonderfriedens mit den Mittelmächten ausgesprochen 
worden, wie gerade anläßlich der Verabschiedung Ssasonows, und das Mißtrauen der fortschrittlichen 
Politiker gegen Stürmer hat in den letzten Tagen dadurch neue Nahrung erhalten, daß sich Stürmer 
seine Erklärung anläßlich des Antritts des Postens des Ministers des Aeußern, worin er dem Willen 
Rußlands zum Aushalten an der Seite der Verbündeten Ausdruck gab (vgl. XVI, S. 307), erst 
auf Drängen Englands abnötigen und nur in den Ländern der Entente und einigen neutralen 
Ländern veröffentlichen ließ, wogegen die russische Presse nichts von dieser Erklärung wußte und 
erst aus der Auslandspresse von ihr Kenntnis erhielt. Während die Angriffe der liberalen Presse 
auf Stürmer aus diesem Anlasse von der Zensur unerbittlich unterdrückt wurden, durften die Organe 
MaklakowS und SchtscheglowitowS ungehindert und frei die Frage des Friedens Rußlands mit den 
Mittelmächten erörtern." 
Andererseits schrieb Max Th. Behrmann der „Vosstschen Zeitung" (22. VIII. 16): „Was die even 
tuelle Wiederberufung der früheren Minister Maklakow (vgl. IX, S. 202) und Schtscheglowitow 
(vgl. IX, S. 205) anbelangt, so wird auch mir mitgeteilt, daß Ministerpräsident Stürmer diese Reakti 
vierungen eine Zeitlang als wünschenswert betrachtete, diesen Gedanken aber nach Rücksprache mit ver 
schiedenen Fraktionssührern des Reichsrates und der Reichsduma hat fallen lassen. Beide früheren 
Minister haben sich während ihrer Amtstätigkeit so sehr blamiert, — und zwar Schtscheglowitow 
durch seine ultraschwarze, reaktionäre und ausgesprochen bürokratische Haltung, Maklakow aber durch 
seine, selbst bei einem russischen Minister etwas ungewöhnliche geistige Impotenz, — daß das Wieder 
erscheinen dieser beiden Herren auf der Ministerbank so gut wie ausgeschlossen erscheint. Energisch 
mühte gegen die Charakterisierung der beiden letztgenannten angeblichen Ministerkandidaten als 
Friedensanhänger oder gar Deutschfreunde protestiert werden. Schtscheglowitow, den ich seit Jahren 
recht genau kenne, hat sich niemals um die auswärtige Politik seines Landes bekümmert, hat sich 
schon vor dem Kriege von jedem und allem Deutschen in der Regel ostentativ ferngehalten, hat 
während des ersten Kriegsjahres bei jeder Gelegenheit dem Prinzipe „Krieg bis zum siegreichen 
Ende" gehuldigt und ist, soviel ich weiß, einer der Mitbegründer des soeben in Petersburg errich 
teten Vereins „Russische Reichskarte nach dem siegreichen Kriege". Was hinwiederum Maklakow 
anbelangt, so sei nur darauf hingewiesen, daß er es gewesen ist, der als Minister des Innern schon 
lange vor Ausbruch des jetzigen Weltkrieges die deutschsprachigen Schulen in Rußland für reichS- 
gefährlich erklärt hat, gegen die „Vormacht der deutschen Barone in Rußland" eingeschritten ist und 
an dem Gesetzentwurf betreffs Enteignung des deutschen Landbesitzes in Rußland mitgearbeitet hat. 
Ihn jetzt plötzlich als deutschfreundlich hinzustellen, erscheint daher zum mindesten als gewagt. . . . 
Wie die Sachen liegen', herrscht in Rußland wohl eine gewisse Kriegsmüdigkeit, die aber keines 
wegs als von Deutschfreundlichkeit diktiert zu betrachten oder gar mit dieser zu verwechseln ist. 
Die in Rußland von Reichs und fast Gesetzes wegen etablierte Raubwutschaft, die fast überall im 
Lande herrschende und sich immer mehr verschärfende Hungersnot, die Omnipotenz der kleinen und 
kleinsten Beamten haben weite Kreise des denkenden und arbeitenden Rußlands zweifellos in nicht 
geringem Grade kriegsüberdrüssigßgemacht, aber man täte wohl, in Deutschland durch wenig zu 
treffende und wenig kontrollierte russische Meldungen nicht Hoffnungen zu erwecken, an deren baldige 
Erfüllung Sachkenner durchaus zweifeln müssen." 
10. August 1916. 
Ueber die Ernennung Kuropatkins zum Generalgouverneur von Turkestan (vgl. S. 220). 
15. August. 
Kriegsminister Schuwajew (vgl. XVI, S. 290 u. 291), der mit Einverständnis des Zaren 
eine längere Dienstreise antrat, hat die Leitung des Kriegsministeriums seinem Gehilfen, General 
Frolow, übertragen. 
31. August. 
Der Justizministerchef Baltz ist zum Gehilfen des Ministers des Innern ernannt worden. 
11. September. 
Dem „Rußkoje Slowo" zufolge erkrankte Finanzminister Bark schwer. 
14. September 1916. 
An Stelle des zurückgetretenen und zum Mitglied des Reichsrats ernannten Wolschin (vgl. XHI, 
S. 248) ist Nikolas Rajew, Mitglied des Beirats des Unterrichtsministeriums, zum Ober- 
prokurator des Heiligen Synods ernannt worden.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.