Volltext: Der Völkerkrieg Band 13 (13 / 1918)

Die finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse Italiens im fünften Kriegshalbjahr 307 
Defizits waren vorgesehen: die Mittel des Staatsschatzes, Operationen im Auslande 
und insbesondere die Emission von ordentlichen Schatzscheinen mit mehrjähriger Frist. 
Diese letzteren nahmen seit 1. Juli um 3107 Millionen zu; bis zum 30. Dezember 1916 
werde der Gesamtumlauf 4290 Millionen betragen. 
Carcano glaubte weiter, die wirtschaftliche Lage als relativ günstig bezeichnen zu 
können. Die Lebensmittelteuerung sei weniger akut als in andern kriegführenden Staaten 
und vielleicht auch in manchen neutralen Ländern. Das Wirtschaftsleben habe sich seit 
Kriegsausbruch gesteigert: Man arbeite, produziere und erspare mehr als früher. Die 
Korn- und sonstige Zerealienernte sei leider mäßig gewesen, die Seidenernte dagegen 
reich; spärlich war auch der Ertrag an Futtermitteln, Gemüse und Rüben. Die Weinernte 
war zwar nicht reichlich, aber gut. Man erhoffe eine ergiebige Oliven- und Agrumen 
ernte. Unter den Industrien litten diejenigen, die von der Fremdenbewegung und dem 
Auslandhandel abhängen, ferner die Bauindustrie sowie das Transportwesen und die 
Gasfabriken, weil sie in erster Linie auf Kohle angewiesen seien. Die übrigen Industrien 
ständen dagegen befriedigend und prosperierten zum Teil, so die Textilindustrie und ganz 
besonders die Eisen- und Metallindustrie, die Waffen-, Munitions- und Automobil- 
fabriken, wie überhaupt alle Industrien, die den Zwecken des Krieges dienen. Daß mehr 
gearbeitet und verdient werde, zeige sich auch in der Zunahme der Ersparniseinlagen, die 
von 7195 Millionen Lire im Juni 1914 auf 7056 Millionen im gleichen Monat des 
folgenden Jahres sanken, aber bis zum Juni 1916 wieder auf 7902 Millionen stiegen 
und Ende 1916 8 Milliarden überschritten, was um so mehr ins Gewicht falle, als die 
Erträgnisse aus der Fremdenindustrie ziemlich ganz und die Rimessen der Emigranten fast 
vollständig (380 Millionen im Rechnungsjahre 1912/1913, 35 Millionen im Jahr 
1916/1917) ausblieben. 
Dagegen mußte der Schatzminister auf die ungünstige Lage der Handelsbilanz ver 
weisen. Aus der Statistik ergibt sich, daß der Ueberschuß der Wareneinfuhr über die Aus 
fuhr bis Ende November 1916, also in nur 11 Monaten, die Summe von 3332 Millionen 
erreicht hat. Italien verliert also an das Ausland jährlich 3,5 Milliarden, davon allein 
1,5 Milliarden für Lebensmittel, gegenüber 478 Millionen im Jahre 1914. Einzig von 
den Vereinigten Staaten hat Italien für 2 Milliarden Waren eingeführt, während die 
Ausfuhr dorthin bloß ungefähr 200 Millionen ausmachte. Dieser ungeheure Zuwachs 
ist nicht sowohl der zunehmenden Quantität als der Verteuerung der Importware zu 
zuschreiben; kommt doch z. B. das Getreide ab Genua die Regierung nahezu aus das 
Dreifache wie in normalen Zeiten zu stehen. Das neuerliche rapide Sinken des Kurses 
der Staats« und Jndustriepapiere, worauf auch politische und militärische Nachrichten 
eingewirkt haben mögen, führte der Schatzminister in der Hauptsache zurück auf ten 
denziös in Umlauf gesetzte Gerüchte und die Manöver einer ungesunden Spekulation, 
die von der öffentlichen Meinung und der Presse gebührend gebrandmarkt wurden. 
Der Papierumlauf für Rechnung der 3 Emissionsinstitute und des Staates stieg 
bis zum 31. Oktober 1916 auf 4692 Millionen Lire, was einer Steigerung von 847 
Millionen gegenüber dem Stand vom 31. Oktober 1915 gleichkommt. Die Metallreserve, 
die sich am 31. Oktober 1915 auf 1710 Millionen belief, sank am 31. Dezember 1915 
auf 1700 Millionen, um am letzten Oktober 1916 wieder aus 1702 Millionen zu steigen. 
Getreu dem Programm, die notwendigen Mittel für den Krieg auf dem Kreditwege 
zu verlangen und für die Zinsen vorher durch Erhöhung der Steuern zu sorgen, erklärte 
Carcano, die Deckung der Ausgaben im Innern bereite keine großen Schwierigkeiten. 
Schwieriger gestalteten sich die Zahlungen für das Ausland und ganz besonders für die 
Vereinigten Staaten, sowohl wegen des großen Umfangs der amerikanischen Lieferungen, 
als weil der Rückgang des Exports neben der Zunahme des Papierumlaufs den Wechsel-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.