Volltext: Der Völkerkrieg Band 13 (13 / 1918)

Die russischen Herb st offensiven 1916 
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Vor uns, wie zum Greifen nahe, in der dünnen, reinen Lust, liegt der Felsengrat des 
Capul, um den so erbittert gekämpft worden ist. Die höchste Erhebung gehört uns, 
auf den selstgen Hängen hinter niedrigem Sattel nach Nordosten sitzen die Russen. Die 
mächtige kahle Kuppe der Tatarka ragt wie ein umgekehrtes lateinisches „17" in die 
sonnige Luft. Wie ein Punkt steht für Augenblicke ein Flugzeug über dem klobigen 
Berg. Sonst ist dort im Nordosten völlige Stille. Das Hochgebirge liegt leuchtend 
und wie unberührt unter den weißen, leichten Wolkensahnen. 
Im Südosten aber scheinen die Berge zu Vulkanen zu werden. Unaufhörlich fliegen die 
Erdfontänen aus den Flanken des Deduls. Man steht die Einschläge der Gebirgs 
artillerie die Erde hochwerfen, als ob eine Herde von ungeheuren Maulwürfen dort 
oben am Dedul ihr Wesen triebe. Dazwischen schlagen grau-braune Wolken höher und 
stärker empor, das ist die schwere Artillerie, und die mächtigen Säulen der ganz schweren 
Stücke, die man herangeschafft hatte, werden gegen 10 Uhr auch immer regelmäßiger. 
Ueber die Fruntea legt sich der neue Wolkenhimmel der Schrapnelle. Riesen spielen 
dort ein gigantisches Spiel. Dann, durch das Scherenfernrohr, sieht man die Riesen, 
um die den Bergen die Flanken zerrissen werden, um die sich ein neuer Himmel über 
die ungeheuren Häupter des Gebirges schiebt: winzige schwarze Punkte bewegen sich über 
die hellen Latschenhalden. Das ist die österreichisch-ungarische Infanterie, die zum Sturm 
vorgeht. Da ist Not, Leid, Gebete, Zorn, Vernichtung, tausend Wünsche, so groß wie 
die Berge, tausend Sehnsüchte, weit wie der spannende Himmel, da sind tausend Menschen» 
weiten, die unter dem hellen Glanz der großen Welt den dunklen Schicksalslauf kreisen. 
Unfaßbar schön ist die Erde, und unfaßbares Elend trägt unser Fieber in ihre Schön 
heit, in ihr goldenstes Korn, in ihre traumgrünsten Wälder, in ihre gottseligste Hoch 
einsamkeit. Einmal sollte man die kleinen, großen Zieher und Woller und Schieber 
an der Themse in die leuchtende Einsamkeit der schönsten Welt hier oben stellen, und 
dann sollten sie ihre Reden halten vom Zerschmettern und belgischer Neutralität und 
Kulturkampf und Militarismus und heiligem Zwang, ihre Stimme müßte ihnen im 
Munde brennen, ihrer Narrheit würde der Atem ausgehen in der freien, dünnen Luft 
der Bergheiligkeit. 
Kleine tapfere Punkte ... es ist, als ob der Nebel gewartet habe, um sie zu ver 
schlucken. Noch sieht man größere geschlossene Massen, einen kleinen schwarzgrauen Fleck 
die Halde herunterkommen: gefangene Russen. Dann ballt sich der Nebel dichter. Leucht 
kugeln steigen hoch. Immer dichter verschleiert sich die Ferne. Noch sieht man unten 
im Tal Lajosfalva und Kirlibaba. Wie braun-weiß-grüne Holzdörfchen zum Ver 
schenken als Kinderspielzeug liegen die kleinen Nester dort am Goldenen Bistritzbach. 
Die Russen schicken ein paar Schrapnelle in das Tal, die über den verlassenen Häusern 
zerslattern. 
Unaufhörlich arbeitet die deutsche und österreichisch-ungarische Artillerie. 
Die mittlere Fruntea wird am Nachmittag dann genommen, über 1000 Gefangene, 
5 Offiziere darunter, werden eingebracht. Das vollzieht sich hinter den undurchsichtigen 
Nebelvorhängen. Noch ist sonniges Licht auf unserer Kuppe und auf dem Felsgipfel 
des Capul. Der Wind faßt schärfer zu. Die Sonne verschwimmt, als ob sie langsam 
in einem grauen Meer untersänke. Die Scherenfernrohre werden zusammengepackt, das 
Telephon — das schon eine Minute nach unserer Ankunft in Ordnung war — wird 
wieder abmontiert. Der Gesechtsstand der Division ist ausgelöst. Wir steigen einen 
steilen Grad ab, der säst senkrecht zur Linken zum Goldenen Bistritztal abfällt. Der 
General sieht die Halden und Hänge schon auf ihre Tauglichkeit als Ski-Uebungsplätze 
an, und der Generalstabsoffizier scheint schon den Telemarkschwung in den Knochen 
zu spüren. 
»Mtafctcg. XX. 
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