Volltext: Der Völkerkrieg Band 13 (13 / 1918)

Die innere deutsche Politik im fünften Kriegsha bjahr 101 
Ferner würden die Verbandsmächte sicher auf einer starken, von Bulgarien an Serbien 
zu zahlenden Entschädigung sowie auf einer wenigstens teilweisen Entwaffnung bestehen. 
Endlich Deutschland. Seine Kolonien würden unter den Mächten, die sie erobert 
hätten, aufgeteilt werden. Belgien müsse wieder hergestellt werden und nach Osten einigen 
Gebietszuwachs erhalten. Auch müsse Aachen und sein prächtig gedeihendes Nachbar 
gebiet zeitweise dem belgischen Königreich einverleibt werden, wöge aber an Deutschland 
zurückfallen, wenn die den Deutschen auferlegte Entschädigung rechtzeitig bezahlt werde. 
Das Großherzogtum Luxemburg, dieser Anachronismus, müßte dem belgischen Königreich 
einverleibt werden. Im übrigen müßte, was die Kriegsentschädigung beträfe, Deutsch 
land an Belgien 100 Millionen Pfund als Strafe wegen Vertragsbruchs zahlen und 
weitere 500 Millionen zum Ausgleich für alle an Leben, Gesundheit, öffentlichem und 
privatem Eigentum zugefügten Schäden. Entsprechende Entschädigungen habe Deutsch 
land selbstverständlich an Großbritannien, Frankreich, und Rußland zu entrichten. 
Elsaß-Lothringen komme an Frankreich zurück, dazu das Saartal, sowie Trier nebst 
Umgebung. Ganz Preußisch-Polen werde Russisch-Polen einverleibt, also sowohl die 
Provinz Posen, wie ein Teil Westpreußens würden an Rußland fallen und eine Grenz 
berichtigung auf Kosten von Ostpreußen träte ein (rechtes Memeluser und Zugang zu den 
masurischen Seen). Ferner habe Deutschland seinen ganzen Flottenbestand auszuliefern 
und Handelsschiffe als Ersatz für die von ihm gegen das Völkerrecht versenkten Schifft. 
Was die Entwaffnung der militärischen Landmacht Deutschlands betreffe, so müsse dem 
Land so viel Kriegsmaterial genommen werden, daß keine deutsche Armee von mehr als 
etwa 7s Million Mann aufgestellt werden könne. Die halbamtliche „Norddeutsche All 
gemeine Zeitung" schrieb dazu, daß auch das blindeste Auge aus solchen Enthüllungen sehen 
könne, weshalb wir kämpfen müßten, bis zum bitteren Ende; auch die ehrlichsten Freunde 
des Friedensgedankens müßte diese Sprache zu heiligem Zorn entflammen. 
Das Reichskolonialamt begann in Sonderaklionen die deutschen Kolonialziele näher 
zu umschreiben. Der Staatssekretär Dr. Sols sprach in Versammlungen, die in ver 
schiedenen Städten des Deutschen Reiches stattfanden, über dieses Programm. Dabei 
sagte er unter anderem: Brächte uns der Krieg nicht so weit, gelänge es uns nicht, 
die Frage der Seegeltung nach unseren Wünschen zu regeln, so wäre damit entgegen 
der Meinung der Zweifler trotz alledem unserer Kolonialpolitik keineswegs das Todes 
urteil gesprochen. Denn wer über das Problem der Seeherrschaft tiefer nachgedacht 
habe, müsse zu der Einsicht kommen, daß die Beherrschung der See keine Bedingung für 
eine aktive Kolonialpolitik sei. Diese Bemerkungen riesen in der rechtsstehenden Preffe 
einen allgemeinen Protest hervor, und der Vorsitzende der deutschen Kolonialgesellschast, 
Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg, sah sich genötigt, den Staatssekretär in einem 
Briese um eine Erklärung zu diesen Aeußerungen zu bitten. Aber auch die Antwort 
Dr. Golfs vermochte diese Kreise nicht zu beschwichtigen. 
Im Reichstage ergriff der Reichskanzler im fünften Kriegshalbjahr dreimal das Wort, 
um sich über die Kriegs- und Friedcnsmöglichkeiten in längerer Rede zu äußern. Am 
28. September 1916 gab er im Plenum (vgl. S. 13 f) eine ausführliche Darstellung der 
politischen Vorgänge in Bukarest vor dem Eintreten Rumäniens in den Krieg, ging dann 
auf die anderen Gegner Deutschlands ein und machte der Rechten, die ihn wegen seiner 
zögernden v-Bootpolitik gegenüber England dauernd angriff, in den folgenden Worten 
eine Konzession. „England ist", sagte er, „der selbstsüchtigste, hartnäckigste, erbittertste 
Feind. Ein Staatsmann, der sich scheute, gegen diesen Feind jedes taugliche, den Krieg 
wirklich abkürzende Mittel zu gebrauchen, dieser Staatsmann verdiente gehenkt zu werden..." 
Eine weitere Rede über die außerpolitische Gesamtlage hielt der Reichskanzler am 9. No 
vember 1916 im Hauptausschuffe des Reichstages (vgl.S.33f.) im Anschluß an eine Rede,
	        
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