Volltext: Der Völkerkrieg Band 13 (13 / 1918)

68 Das Deutsche Reich während des fünften Kriegshalbjahres 
scheitern drohten. Eine besondere Bundesratsverordnung schaffte zwar kein Zwangs 
syndikat, gab aber den staatlichen Behörden ein Mittel in die Hand, bei Nicht 
zustandekommen eines freiwilligen Syndikats ein Zwangssyndikat gegen den Willen der 
Interessenten zu bilden. 
Dieses zunehmende staatliche Eingreifen in das Wirtschaftsleben wurde 
ganz allgemein von der deutschen Industrie nicht gerade mit Sympathie aufgenommen, 
und schon wurden ernste Bedenken laut, daß die Regierung dieses Kriegswirtschafts 
system auch im Frieden weiter bestehen lassen und Industrie, Handel und Gewerbe mit 
Zwangskonventionen „beglücken" könnte. Der Großhandel beschäftigte sich mit dem 
Gedanken, eine Zentralorganisation durch Errichtung eines großen Jnformations- und 
Auskunftsinstituts für die Zwecke des Außenhandels zu schaffen. Der Kleinhandel 
wehrte sich auf seinen Tagungen nicht nur gegen das Ueberhandnebmen des Staats 
sozialismus, sondern auch gegen den zunehmenden Zusammenschluß der Konsumenten in ge 
nossenschaftlichen Gebilden, mit dem Zwecke, den Einzetkaufmann auszuschalten. So kann 
man sagen, daß auf der einen Seite die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands relativ 
günstige Verhältnisse aufwies, daß aber auf der anderen Seite durch die Zwangssyndikate, 
die Stillegung von Betrieben und durch die Abwehrbewegung der Konsumenten gegen 
Uebervorteilung aller Art immer größere Schichten des deutschen Gewerbslebens in ihren 
Existenzbedingungen erschüttert wurden. 
Die Hilfsdienstpflicht 
Mitte November 1916 trat die Regierung mit dem Plan an die Oeffcntlichkeit, für die 
Zivilbevölkerung in gewisser Hinsicht eine Arbeitspflicht, und zwar zunächst 
für die Zweige der Waffen- und Munitionsbeschaffung, kurz der gesamten Kriegsindustrie 
einzuführen. Dazu wurde ein Kriegsamt beim Kriegsministerium begründet, an dessen 
Spitze Generalleutnant Grüner, der bisherige Chef des Feldeisenbahnwesens trat, 
dem Dr. Kurt Sorge, der Direktor des Grusonwerkes in Magdeburg als technischer 
Chef des Stabes unterstellt wurde. Für seine Aufgaben wurde eine Organisation 
geschaffen, wie sie bisher in Preußen und Deutschland ohne Beispiel war und über 
die bereits S. 5 f. ausführlich berichtet worden ist. Dem Reichstage ging zur selben Zeit 
ein besonderes Gesetz über den Hilfsdienst zu, das die Heranziehung der gesamten 
männlichen Zivilbevölkerung bis zum 65. Lebensjahre zum Hilfsdienst ermöglichte. Den 
Frauen sollte es freistehen, sich in diese Armee der Hilfsdienstpflichtigen einzureihen. 
Besondere Kautelen sahen im Interesse der Arbeiterschaft die Bildung von Arbeiter 
ausschüssen und Einigungsämtern vor, und im Interesse der Arbeitgeber führte man 
das System der Abkehrscheine ein, wonach kein Arbeiter seine Arbeitsstätte ohne einen 
ihm vom Arbeitgeber ausgestellten Abkehrschein verlaffen durfte (vgl. S. 45 u. 46). 
Das Kriegsamt ging bald nach seiner Begründung sehr energisch vor, um alles das 
in dem öffentlichen Verkehrsleben einzuschränken, was gewissermaßen überflüssig war 
oder doch die Gesamtproduktion beeinträchtigte. Ende November 19 l 6 ging die Eisenbahn- 
direktion daran, die vorliegenden Fahrpläne einer eingehenden Prüfung zu unterziehen, 
um alle überflüssigen Reiseverbindungen auszumerzen. Infolge der starken Inanspruch 
nahme des rollenden Materials durch die Truppen und infolge der Notwendigkeit, mit 
Kohlen zu sparen, wurde der Zivilreiseverkehr weitgehend eingeschränkt. 
Ferner nahm der preußische Eisenbahnminister in Aussicht, die Aufgabe der von ihm 
in Saarbrücken und Berlin eingesetzten Oberbetriebsleitungen dadurch zu erweitern, daß 
ihnen die Ueberwachung der gesamten Verkehrsbewegung in ihren Bezirken übertragen 
wurde; sie sollten dahin wirken, daß unnötige Transporte unterblieben und unzweck 
mäßige bester geregelt würden. Diese Aufgabe sollte in ständiger Fühlung mit den
	        
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