Volltext: Der Völkerkrieg Band 13 (13 / 1918)

Die wirtschaft!, u.soz. Organisation Deutschlands während des fünften Kriegshalbjahres 57 
durch die Marmelade- und Konservenfabriken zu begegnen, für alle Fabrikate aus Obst 
und Gemüse Höchstpreise vorgeschrieben werden würden; ferner wurde eine Anzeigepflicht 
für alles aus dem Auslande eingeführte Obst aufgestellt. Trotzdem blieben die schweren 
Mißstände bestehen. Das Obst blieb den Großstädten meist fern, die Händler erschienen 
nicht auf dem Markte, weil ihnen der Kleinverkauf und die von den Städten festgesetzten 
Richtpreise meist nicht zusagten. Das Kriegsernährungsamt sah sich daher veranlaßt, 
die Zahl der Großkäufer auf dem Markte zu beschränken. Zu diesem Zwecke sollten 
die Gemüse und Obst verarbeitenden Industrien zu staatlich überwachtensyndikat 
artigen Gesellschaften zusammengeschlossen werden. Dann würden nicht mehr die 
einzelnen Fabriken aus dem Markte erscheinen, sondern die Gesellschaften, die auf Jnne- 
haltung angemessener Preise überwacht werden würden. Höchstpreise schrieb man aber 
zunächst nicht vor. Dieser erste zaghafte Schritt war natürlich völlig unzureichend und 
schon wenige Tage danach schritt man an den verschiedenen Stellen, so in Groß-Berlin, 
zur Beschlagnahme der gesamten Obsternte. Diese Maßnahme war nur als 
eine vorübergehende gedacht, um diejenigen Obstmengen sicherzustellen, die zur Versor 
gung von Heer und Bevölkerung mit Marmelade erforderlich waren. Die Preise der 
auf militärische Anordnung für Marmeladenzwecke beschlagnahmten Pflaumen und Aepfel 
wurden durch Anweisung an die zum Ankauf ermächtigten Ankäufer für den Zentner 
aus 10 Mark für Hauszwetschgen und bis zu 7% Mark für Wirtschaftsäpfel festgesetzt. 
Die Beschlagnahme veränderte mit einem Schlage die Sachlage. Dafür da8 Beispiel 
Berlins. Während es noch am Tage vorher in Groß-Berlin kaum eine Pflaume 
zu kaufen gab, konnte jetzt die Hausfrau wieder jedes beliebige Quantum erhalten. 
Pflaumen und auch Aepfel waren wieder im freien Handel zu haben. Ende September 
wurde die Beschlagnahme von Zwetschgen und Pflaumen wieder aufgehoben, nachdem 
der Bedarf für die Marmelade-Fabrikation gedeckt war, während die Beschlagnahme 
von Aepfeln einstweilen noch weiter bestehen blieb. Die Versorgung der Bevölkerung 
ging allerdings nur sehr langsam vor sich und eigentlich erst im Januar 1917 trat eine 
etwas regelmäßigere Verteilung ein. Da aber der „Kriegsgesellschast für Obstkonserven 
und Marmelade" seinerzeit nur etwa 1 / i desjenigen Quantums zur Verfügung gestellt 
war, das sie ursprünglich erhalten sollte, so mußte sie eine Streckung durchZusatz 
von Rüben vornehmen; die Vorräte wurden dadurch so groß, daß nicht nur Heer 
und Marine, sondern auch die Zivilbevölkerung den notwendigen Bedarf an gestreckter 
Pflaumen- und Apfelmarmelade im Kleinhandel bis Mai und Juni 1917 für etwa 55 
bis 60 Pfennig das Pfund erhalten konnte; doch zeigte sich sehr bald, daß die zum 
Teil mit Kohlrüben gestreckte Marmelade für die Bevölkerung un 
genießbar war, ein Moment, das außergewöhnlich viel Mißstimmung hervorrief. 
Die Zuckerversorgung 
Die Zuckerernte gestaltete sich diesmal recht g ü n st i g. Im Jahre 1914 hatte Deutschland 
eine Rübenanbaufläche von 570000 ha, aus der rund 2,5 Millionen t Zucker bei einem 
Jnlandsverbrauch von 1,6 Millionen gewonnen wurden. Der große Ueberschuß an 
Zucker, der sich hieraus im Herbst 1914 ergab, führte zu einer Einschränkung der 
Rübenanbaufläche um V* der vorjährigen Fläche. Es wurden mithin im Jahre 1915 
370000 ha angebaut, die rund 1,5 Millionen t, also den Normal-Friedensbedars für das 
Inland lieferte. Nun aber stieg der Zuckerbedarf zur Herstellung von Marmelade, 
Kunsthonig und zur Viehfütterung sowie zur Verwendung als Ersatz für die anderen 
eingeschränkten Lebensmittel außerordentlich. Es machte sich also von neuem eine 
Ausdehnung der Rübenanbaufläche notwendig. Man rechnete in dieser Hin 
sicht mit einem Zuwachs von 10 bis 12 %, also mit 400 bis 410 ha. Trotzdem verbot
	        
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