Volltext: Der Völkerkrieg Band 13 (13 / 1918)

54 Das Deutsche Reich während des fünften Kriegshalbjahres 
reiz zum Anbau von Frühkartoffeln gegeben, das weitere aber im wesentlichen dem Zufall 
überlassen. Viele schwere Fehler, die von der Reichskartoffelstelle im Vorjahre gemacht 
worden waren, versuchte man diesmal in neuen Anordnungen zu vermeiden. An die 
Stelle der unzureichenden Beschlagnahme trat jetzt die Sicherstellung des Gesamtbedarfs 
der Zuschußgebiete, und zwar dergestalt, daß von vorneherein von der Gesamternte des 
Erzeugers nach Abzug seines eigenen Bedarfs zunächst die für die Verbrauchsgebiete be 
nötigten Mengen sichergestellt wurden. Dazu trat die Rationierung, durch die die Kops 
menge für die Kartoffel kaufende Bevölkerung aus etwa 1V 2 Pfund für den Tag fest 
gesetzt wurde. Endlich war man bestrebt, die Kartoffeln, soweit irgend möglich, gleich 
im Herbst in die Keller der Verbraucher zu leiten. Der Verbraucherpreis zum Einkellern 
wurde auf Mark 4,75 und zum Kleinverkauf während des Winters auf Mark 5,50 für 
den Zentner festgesetzt. Gleichzeitig erklärten sich fast alle Staatseisenbahnverwaltungen 
bereit, den Höchstfrachtsatz für Kartoffeln, der bisher 50 Pfennig für jeden Zentner betrug, 
auf 25 Pfennig herabzusetzen. Das Reich erstattete denjenigen Gemeinden, deren Fracht 
aufwendungen in der Zeit vom 1. Oktober 1916 bis 15. August 1917 trotz der Fracht 
ermäßigung noch mehr als 15 Pfennig im Durchschnitt betrugen, den Mehrbetrag. In 
einer weiteren Erklärung des Kriegsernährungsamtes wurde mitgeteilt, daß den Ge 
meinden aus Reichsmitteln 1 / 3 der Kosten für die über die Sätze von Mark 
4,75 und Mark 5,50 hinausgehenden Aufwendungen erstattet werden würden. 
Trotzdem war es für die Städte schwierig, sich die nötige Kartoffelmenge, je weiter 
-man in den Winter hineinkam, zu beschaffen. Die Landwirte hielten vielfach die Kar 
toffeln zurück, weil vom 15. Februar 1917 ab eine weitere Preiserhöhung vorgesehen 
war, so daß in Preußen die Landräte verschiedene strenge Maßnahmen, wie Enteignung 
und dergleichen, androhen mußten. Dazu kam, daß die Stärke- und Flockenfabriken 
ebenso wie die Brennereien meist für unsortierte Kartoffeln mindestens dieselben Preise 
zahlten wie die Städte für sortierte Speisekartoffeln. Angesichts dieser Verhältnisse 
konnte die vom Kriegsernährungsamt vorgesehene Kartofselration von 1% Pfund 
pro Kopf und Tag nicht aufrecht erhalten werden. Mitte Oktober 1916 mußte 
der Tageskopssatz aus höchstens 1 Pfund herabgesetzt werden, mit der Ergänzung, 
daß der Schwerarbeiter eine tägliche Zulage bis zu einem Pfund Kartoffeln, insgesamt 
also bis 2 Pfund, erhalten sollte. Das Verfüttern von Kartoffeln und Kartoffelstärke 
sowie das Einsäuern wurden ausnahmslos verboten, und der Handel mit Saatkartoffeln, 
der vielfach in einen wucherischen Schleichhandel ausgeartet war, untersagt. 
Ansang Januar 1917 ging man noch einen Schritt weiter. Der Tageskopfsatz 
wurde aus s / 4 Pfund herabgesetzt, aber selbst das war oft nicht einmal durch 
zuführen, da die Kartoffeln einfach wochenlang nicht aufzutreiben waren. Eine Nach 
prüfung der Ernte und der augenblicklichen Bestände hatte ergeben, daß man im ganzen 
nur 21 Millionen t Kartoffeln gegenüber angeblich 50 bis 54 Millionen t Kartoffeln im 
Vorjahre geerntet hatte. Für die menschliche Ernährung verblieben daher nach Abzug der 
Saatkartoffeln nur etwa 279 Millionen dz gegen 800 Millionen im Vorjahre. Dazu kam, 
daß die Ernte infolge der ungünstigen Witterung auch in der Qualität gelitten hatte. 
Die Kohlrübenepoche begann. Die Bevölkerung erhielt jetzt für die ausfallende 
Kartoffelration 2 und später 4 Pfund Kohlrüben; der Kartoffelzusatz zum Brot wurde 
abgeschafft und durch Gerste ersetzt, was wieder eine starke Herabsetzung des Brau 
kontingents zur Folge hatte. Außerdem versprach man, die Bevölkerung durch größere 
Zuwendung von Graupen, Grütze und Gries zu unterstützen. Also auch in diesem Ernte 
jahr war es nicht gelungen, des schwierigen Kartoffelproblems Herr zu werden. Es 
waren eigentlich noch größere Mißstände eingetreten, als dies schon in dem vorherigm 
Kriegshalbjahr (vgl. XVI, S. 57 f.) der Fall gewesen war.
	        
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