Volltext: Linzer Hessen

Es darf nicht vergessen werden, daß die medizinische 
Wissenschaft mit der lgplzusimpfung, die im ersten Leid- 
winter eingeführt wurde, dem vaterlande eine starke Waffe 
gegen den lgplzus zur Verfügung gestellt >iat. Va die Ansich¬ 
ten über den wert der Immunisierung damals noch sehr aus¬ 
einandergingen, sammelten wir ein reiches statistisches Ma¬ 
terial über unsere Erfalzrungen mit dieser Impfung. Ver 
kriegsoerlauf lzat den Segen der Igpliusimpfung derart rasch 
bestätigt, daß unsere wissenschaftliche flrbeit bald als müßig 
gelten konnte. 
5s kam der 2. Mai 1915, der lag von Sorlice. hoch 
nie gehörte flrtitteriemaffen begannen ein Zerstörungswerk 
der feindlichen Bräben und der Verven aller, die es an- 
lzüren mußten. Man lzatte oorausgeselzen, daß trotz der mäch¬ 
tigen Wirkung der überlegenen flrtillerie die russische Stellung 
doch erst im blutigen Jnfanterieangriff zu durchbrechen sei 
und rechnete dalzer mit Verlusten, die ein rasches Väumen 
der beschränkten lzilssplatzräumlichkeiten zum fjaupterfor- 
dernis machten. In der richtigen Erkenntnis, daß die Vivi- 
sionssanitätsanstalt, die an diesen lagen den flbschub von 
den lzilfsplätzen dreier angreifender Regimenter durchzu¬ 
führen gehabt hätte, ganz unmöglich ihre flufgaben erfüllen 
konnte, hatte uns Oberst von vittorelli für diesen lag 
den ganzen Sefechtstrain zur Verfügung gestellt, vie wagen, 
die den verg hinauf Verpflegung und Munition schafften, 
führten bergab die verwundeten. Lreilich war das „völker¬ 
rechtswidrig", aber wir Haben eben, dem Beispiel unserer 
Leinde folgend, auch aufgehört, mit zimperlicher EngHerzig- 
kcit die Vuchstaben der Benser Konvention zu erfüllen. Zu¬ 
dem stellten wir auch bergab diese wagen gar nicht unter 
den Schutz der Senser Konvention, denn kein Mensch lzatte 
darangedacht, lziesür Vote-Kreuz-Lalznen zu beschaffen, ver 
Zweck, der rasche Verwundetenabschub, gelang so glänzend, 
daß der lzilfsplatz, als am Z. Mai der Durchbruch erfolgte, 
in einer Stunde geräumt war und gleich an das nach larnüw 
marschierende Regiment anschließen konnte, Daß lzierzu ein 
mustergültiges klappen des ganzen Sanitätsdienstes, beson¬ 
ders aber ein umsichtiges und tapferes verlzalten der Blesfier- 
tenträger erforderlich war. liegt auf der Sand. 
Zum ersten Mole lzat es sich ereignet, daß eine feste starre 
Lront in rein frontalem pngriff durchstoßen wurde, vaß 
ein fluseinanderprallen so gewaltiger Energiemengen unter 
Erscheinungen für fluge und Ohr vor sich geizt, die psgche und 
veroensgstem gar walz! erschüttern konnten, mußte ärztlich 
von vornlzerein für möglich gehalten werden, vie Verven 
der Fjessen waren den damaligen und auch den späteren viel 
aufregenderen Eindrücken eines lrommelfeuers gewachsen. 
Ausnahmen, die vorkamen und eine „Sranatenneurose" — 
das Wort ist von Patienten erfunden worden — erlitten, 
bestätigen lediglich die Regel. 
In raschen Schlägen bahnte sich nun der Siegeszug seinen 
weg bis zum San. Vei diesen Vormarsch, der durch ein 6e- 
lände mit durchwegs guten Straßen führte und bei dem sich 
die Verluste in mäßigen Srenzen lzielten, gelang es der Vivi- 
sionssanitätsanstalt fast stets, unsere lzilfsplätze zu räumen 
oder zu übernelzmen. Ilzre flufgabe wurde wesentlich erleich¬ 
tert, weil sie immer melzr die plumpen Vlessiertenwägen außer 
Verwendung setzen und dafür neue, sehr praktische Bles- 
siertenkarreten und Vauernwägen verwenden konnte. 
In dem von den Russen modernst eingerichteten Epidemie- 
spital von vebica stellten wir mit Sicherlzeit fest, daß das 
zurückgelzende lzeer sehr an Kriegsseuchen, auch Cholera, 
leide. Es war also damit zu rechnen, daß unser weiterer Vor¬ 
marsch durch choleraoerseuchtes Gebiet sichren werde. Eine 
fast tägliche Velelzrung der Mannschaft wegen vorbeugungs¬ 
maßregeln war dalzer nötig, ver Sesundkeitszustand blieb 
in der ersten Phase der offensive bis an den San ein sehr 
guter, obwolzl schwere Strapazen zu ertragen waren und 
obwolzl die Verpflegung nur ganz unregelmäßig klappte, 
wir geizen nicht fehl, wenn wir der mit den Erfolgen wach¬ 
senden Begeisterung einen großen Einfluß auf den Besund- 
lzeitszustand einräumen. 
ver Umstand, daß in diesem reinen Vewegungskrieg jede 
Kompagnie und jeder Zug stets gefechtsbereit sein mußte, 
und oft auch ganz unvermittelt ins Sefecht trat, machte es 
bald notwendig, daß jede Unterabteilung stets ihren vollen 
Stand an Vleffiertenträgern mitfülzrte. Ver jeweilige Stand¬ 
ort des lzilfsplatzes wurde dem Vaons- und Kompagnie- 
Kommandanten bekanntgegeben. Ver Vergedienst war somit 
nicht melzr zentrifugal wie in der Zeit nach Eapanüw, sondern 
zentripetal. Beide Metlzoden lzaben ilzr Sutes und es hängt 
vom taktischen Beschick des Reginlentschefarztes ab, im Ein- 
zclfalle die günstigere zu wälzlen. Selzr bewälzrt lzat sich in 
dieser Offensive das letten und stufenweise vorgelzen des 
lzilfsplatzes, das wir schon im Vovember 1914 üben gelernt 
lzatten. 
ver nun folgende kurze Stellungskrieg in der Begend von 
Rudnik am San bot in sanitätsdienstlicher Hinsicht manches 
Interesse. Lrülzer war der Httssplatz melzr oder minder an 
Häuser, die günstig oder ungünstig in lerrain lagen, gebunden. 
Im flotten Bewegungskrieg mußten wir vielfach im Lreien 
arbeiten. Dieses waldige und moorige Sclände am San lzatte 
nun gar keine lzäuser, wo man sie gebraucht hätte und mit 
einem längeren verweilen war doch zu rechnen, fllso lernten 
wir bauen. Ivit einigem Stolze können wir sagen, daß unsere 
ersten versuche glänzend gelangen. Ein Baonslzilfsplatz 
bei Elzalupi, von Sanitäts-Unteroffizier Schlager in zwei 
lagen geschaffen, der den lzeimatwarmen vamen „6er- 
trudensaß" bekam, wurde sogar wegen seines anmutigen 
fiußeren ein begehrtes Objekt aller flmateurphotographen der 
Begend. 
von ärztlichem Interesse ist, daß damals bei Offizier und 
Mann etwa fünf läge andauernde Liebererkrankungen auf¬ 
traten, die zunächst den verdacht des lgplzus aufkommen 
ließen, aber olzne jede besondere ärztliche Belzandlung wieder 
schwanden. Diese Erkrankung, die sich mit dem später vielfach 
beschriebenen „wollzgnischen Lieber" decken mag, ist damals 
nicht aufgeklärt worden und dann von uns unter dem Ein¬ 
fluß der nachfolgenden Kriegsereignisse vergessen worden. 
In dieser Zeit lzat uns das Wort Bas zum erstenmal be¬ 
schäftigt. vie Mittel, die man damals der lruppe als Bas- 
schutz gab, oder besser gesagt, riet, waren selbstredend melzr 
ein eingebildeter, denn ein wirklicher Schutz. Dafür lzatten 
auch schließlich die ..Basgranaten", die die Russen damals 
hin und wieder wie in launigen Einfällen schossen, auch keine 
andere Wirkung, als daß sie stanken, von einiger weltferne 
zeigte cs, daß man damals von den filzten verlangte, ein 
Mittel gegen Basvergiftungen bei der Hand zu lzaben. 
ver Umstand, daß leite der Stellung im sandigen, völlig 
unbedeckten Boden offen der vollen Einwirkung der Zunttzitze 
ausgesetzt waren, daß das wafferlzolen von den wenigen, 
völlig eingeselzenen Zisternen bei lag eine große Eebensgefalzr 
bedeutete, macht es begreiflich, daß Hitzschläge damals gar 
nicht selten vorkamen. Va die Blessiertenträger auch lziesür 
trefflich geschult waren, ist uns kein Mann wegen dieser 
nicht ungefährlichen Sache verloren gegangen. Eine schwere 
Plage für jeden Mann bildeten die Stechmücken dieses Hei߬ 
feuchten Klimas. Sie quälten die ganze Rächt über unbarm- 
tzerzig. 
Vie ungenügenden sanitären verlzältnisse, die in Balizien 
auch schon vor dem Kriege lzerrschten, lzaben es mit sich 
gebracht, daß damals die offenbar von den Russen einge¬ 
schleppten „schwarzen Blattern" svariolaj in den Dörfern 
hinter der Lront unter der Zivilbevölkerung, besonders unter 
den Zlüchtlingen, schwere Opfer forderten. In elenden 
415(5
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.