Volltext: Linzer Hessen

Posten im Stizzonetal 
TTlit den vezemberkämpfen in den vicentinifchen fllpen 
klang die große offensive der Verbündeten aus. Ihr Ergebnis 
entsprach nicht nur vollauf den Zielen, die man i!ir geseht 
hatte, sondern sie war schon in den ersten Stunden weit dar¬ 
über hinausgewachsen. Vie verbündeten Mittelmächte mögen 
in den vier Zähren Krieg manchen Zeldzug gewonnen haben, 
der den italienischen an strategischer Vedeutung übertraf, flber 
kein zweiter Maffengang war von so eindrucksvoller, hin¬ 
reißender Mucht wie dieser. 
Vach den amtlichen Berichten der Italiener hat die könig¬ 
liche flrmee zwischen den 20. Oktober und 20. November nicht 
weniger als 400.000 Mann, 3152 Seschühe, 1732 Minen¬ 
werfer, 3000 Maschinengewehre und 300.000 Gefangene ein¬ 
gebüßt. 10.000 Mann waren tot, 30.000 verwundet, 293.843 
gefangen! wochenlang überschwemmte eine halbe Million ver¬ 
sprengter ganz Vberitalien. Bei lannenberg und in den Ma¬ 
suren waren je 100.000 Mann, zwischen Sorlice und Lemberg 
doppelt so viele Gefangene in der Hand der Sieger geblieben. 
vie veute an Verpflegung ernährte mehrere Monate hin¬ 
durch die im Lande kämpfenden Heere. Vie blassen, einge- 
follenen Wangen der karstoerteidiger waren schon auf dem 
Wege zur Piave, allen Mühsalen zum Iroh, gestrafft und rot 
geworden, fluch die Heimat hatte flnteil an den Segnungen 
des venetianischen Paradieses. Ungezählte Mengen von Liebes¬ 
gaben wanderten durch die Zeldpost an den häuslichen Herd. 
Wohl dem, der damals einen Sohn, einen Bruder, einen 
verwandten an der italienischen Zront hatte! Vabei war — 
angesichts der eng gesteckten Ziele — im voraus für die plan¬ 
mäßige Sammlung der Beute soviel wie nichts vorgesorgt 
worden. 
Ls kam vor, daß unter den Bädern der Geschühe buch¬ 
stäblich köstliche kaffeefrucht oder sogar unersehliche flrzneien 
knirschten. Mehl aus vollen Säcken und wein aus vollen 
Lästern rann dort und da in den Straßengraben. Güter in 
Millionenwerten gingen verloren. Schon nach acht lagen 
Marsch gab es bei den Verbündeten keinen Mann, der nicht 
einen neuen italienischen Mantel, wundervolle neue Schuhe 
oder ein italienisches Hemd oder auch alles zusammen am 
Leibe gehabt hätte. 
Mit der Besehung Venetiens wurde ein gesegnetes Stück 
Lrde dem bis ins Lehte ausgebeuteten Boden der belagerten 
Mittelmächte angeschlossen. Vas okkupierte Gebiet konnte von 
den Entbehrungen, denen die Völker der beiden Kaiserreiche 
dank der Hungerblockade ausgeseht waren, natürlich nicht 
verschont bleiben, flber das Schicksal wollte es mit ihm noch 
um ein beträchtliches milder als mit manchen Gegenden der 
deutschen und der österreichischen Heimat. Vie Verwaltung 
wurde — nach dem Muster Bumäniens — einem gemein¬ 
samen Wirtschaftsstabe übertragen. 
Diese Ergebnisse der großen Zsonzo-Offensive gehören heute 
allesamt der Geschichte an. Lines aber sollte Bauer haben. Bei 
karfreit und lolmein, im Böhmen der 14. flrmee, standen 
— zum erstenmal seit den Befreiungskriegen — Deutsche aller 
Stämme, aus dem Beiche und aus der Ostmark, vom Bhein 
und von der Donau, von der Eibe und von der Lisch aus 
enger Walstatt zusammen. 
Brandenburger und Schlesier kämpften und bluteten neben 
veutschböhmen und Männern aus Österreich ob der Lnns. 
Solzburger und Kärntner hauchten neben Hannoveranern ihr 
Leben aus. Schwaben und Bagern siegten und starben in 
enger Kampfgemeinschaft mit lirolern und Steirern für die 
eine heilige Sache. Und auch die Lührerrolle über die kleinen 
Bationen des vonaubeckens, die dem deutschen Volke als fein 
Schicksal in die wiege gelegt worden war, trat in der Zlucht 
der Begebenheiten wundervoll hervor. Lürwahr jener deutsche 
Staatsmann hatte recht: 3n diesem sturmreichen herbst 191? 
erwachte in den Gebirgen Lriauls und in dem Lande, über 
das einst die Patriarchen von flquileja geboten, ein Stück 
herzerhebender Staufenüberlieferung zu neuem Leben. Dies 
allein muß dem großen Waffengang jenseits der flipen, in der 
Lrinnerung des deutschen Volkes, einen besonderen Lhrenplah 
sichern. 
karfreit—lolmein war vielleicht der deutscheste aller Siege, 
der im Weltkrieg errungen wurde." 
tin rätselhaftes Marschziel. — In der Kaiserstadl 
Noch am flbend des Kaiserbesuches traf ein merkwürdiger 
Befehl ein, der die Division in Marsch über Longarone auf 
loblach sehte, um dort mit unbestimmtem Ziele einwaggoniert 
zu werden. Man zermarterte sich den Kopf mit der Lrage 
wohin die Division, dieser Strauß prächtigster Begimenter der 
Monarchie wohl kommen möge. Den Gedanken an eine 
längere Erholung im Hinterlande, wies jeder weit von sich. 
vurch fast vier Zahre hatten die Oberösterreicher Wetter und 
Stürmen getroht, waren mit kriegssteifen Gliedern und ver¬ 
witterten Gesichtern hart am Gegner und höchstens auf kurze 
Zeit im engeren Ltappenraume gelegen und sollten seht wo¬ 
möglich in eine Großstadt kommen; lheater, Konzerte, Kaffee¬ 
häuser und alle Herrlichkeiten des Paradieses genießen? Nein!, 
das glaubte kein Mühlviertler, so hartnäckig auch diese 
lockenden lrugbilder seinen ehrlichen Sinn umgaukelten und 
allwissende lelephonisten davon munkelten. 
Uber Longarone, dessen Straßenbild seit dem 10. November 
wohltuend verändert auffiel, dessen saubere Gassen im Scheine 
der Laternen friedlich anmuteten, berührte der Marsch pieoe 
di Ladore die Heimat lizians. Gewaltige Lestungswerke 
krönen die kuppen der Hügel. Sie haben den siegreichen Vor¬ 
marsch der 10. flrmee nicht auszuhalten vermocht und die 
vielen Geschühe, die hier gesammelt noch umherstanden, gaben 
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