Volltext: Linzer Hessen

Her erste offensivtag bei Sorlice 1913 
von Oberleutnant i. d. Des. Emmerich vichtl 
flufgebaut auf die genialen Sedankengänge unseres Zeld- 
marfchalis Lonrad v. fjötzendorf wurden im Daume Sorlice 
mit Ende flprii ISIS unsere Iruppen zu einem Durchbruch 
der russischen Lront massiert. 
Vach den ungemein verlustreichen Schlachten mit dem 
russischen Koloß im Zaffre 1914 waren wir zum Kriege in 
Stellungen übergegangen, die sich zu ungeaffnter Länge ent¬ 
wickelt lzatten und zeitweise von den Nüssen arg bedrot>t 
wurden, wie beispielsweise in den karpatffen. Zwar war 
daraufffin der Nüsse selbst von Duffebedürfnis ffeimgesucht 
worden, aber seine oberste lzeeresleitung, die offenbar der 
Überzeugung war, daß die ziffernmäßig vielfache llberlegen- 
ffeit der russischen flrmeen unsere Iruppen würde aufreiben 
können, ließ bald wieder eine erfföffte Kampftätigkeit erwar¬ 
ten und desffalb mußten wir losschlagen, noch effe sich unsere 
Situation verschlechtert ffatte. 
Es war unglaublich, wie weit dieser ausgereifte Plan vom 
kleinen Mann der Lront Desiff ergriffen batte; fast niemand 
sprach von etwas anderem. 
In der Nacht vom Z0. flprii auf den 1. Mai wurden wir 
aus unseren Sräben oberbalb des Dorfes Zanowicc fferaus- 
gcnommen und nach rechts verschoben. Vierer-Kaiserjäger 
besebten unsere Stellungen. Eigentümlich waren dabei unsere 
Derschleierungsmonöver. Zu veginn der Dämmerung wurden 
von Llügelbornisten in unseren Linien sozusagen Lriedens- 
schalmeien geblasen, flls wir so in Zügen gruppiert in der 
düsteren, aber rubigen Dacht binter unseren Sräben daffin- 
schlichen, wirkten die Melodien dieser lzeimatlieder aus uns 
fröfflich, aber zugleich in irgend einem Sinne auch traurig 
ein. Es entstand eine eigentümliche Stimmung, erbärtet durch 
die Eindrücke der Dacht, von der larnüw-Straßenniederung 
zogen Debel zu den Söffen der Kote 419 binauf und sogen 
sich wäbrend des Marsches in unsere Kleider. Serade war 
unser Oberleutnant bei uns, als plöfflich unten bei einer feind¬ 
lichen Leldwache ein Schuß fiel und aus der Mitte unserer 
Deiben einen Mann traf. Der erste Schuß, der erste lote in 
dieser Dacht. Diemand sprach ein Wort und niemand wußte, 
wo es recht binging. Uber sumpfige Sräben, durch Duschwerk 
und wiesen, am Schluffe dann entlang von Leldrainen zogen 
wir fföffer. Unvermittelt soffen wir auf einmal einen schwa¬ 
chen Lichtschein vor uns und erkannten in dunklen Umrissen 
ein armseliges Dauernffaus mit ffoffem Stroffdachgiebel. wenn 
nicht ffier, so doch bald mußten uns die Menageträger erwar¬ 
ten. Es war ungefäffr 10 Uffr nachts und wir ffungerten 
schon. Da trat ein fremder Offizier zu uns und teilte uns 
mit, daß sich unsere Kompagnie ffier vor dem Dauernffaus 
eingraben müsse; von unserer Menage wußte er leider nichts. 
flnfänglich wollte es niemand recht übers lfer; bringen, 
sich mit ffungrigem Magen einzugraben; außerdem war der 
Daum für die Kompagnie vorerst viel zu eng, denn die Leute 
binderten sich gegenseitig bei der Spatenarbeit, und man 
wußte nur ungenau den Lrontverlauf. flber schließlich ffatte 
sich doch jeder, in der uns angewiesenen Dichtung, bis zur 
vrust eingegraben; allerdings quitschte unter den Lüßen bald 
das Srundwaffer. weil von den Mcnageträgern noch immer 
nichts zu seffen war, sagte mir ein Einjäffrigen-Zugssüffrer 
aus meinem Schulturnus: ..Zcfft werde ich schnell im kjaus 
rekognoszieren, ob's dort nichts Eßbares gibt, denn ich ffalt's 
vor tjunger kaum meffr aus!" Dach geraumer weile kam er 
wieder zurück und bemerkte, daß er bei der Bäuerin ein 
junges Ejuffn erstanden ffabe, welches er nun sieden lasse, flll- 
mäfflich fröstelte uns in den Löchern, vorläufig war auch 
nicht an Schlaf und Duffe zu denken, denn es mußten meff- 
rcre Leldwachen gestellt werden. Zeitweilig betätigte sich 
schon unsere slrtillerie im Dachbarabschnitt. Im vorgefüffl der 
bald kommenden Ereignisse des nächsten lages wuchs troff 
aller Müdigkeit eine gewisse Spannung in uns. Irgend je¬ 
mand wußte auf einmal zu erzäfflen, daß man gestern bei 
Sonnenuntergang geseffen ffatte, wie ein Pferd, an dessen 
Schweif ein Stroffbündel entzündet worden war, über die 
Leider jagte und ffinter sich ffer einen laut jammernden 
Kosaken schleifte. Es sei ein schrecklicher flnblick gewesen, ffabe 
der Dauer versichert, von dem diese Seschichte stammte. Es 
soll sich um einen Spion geffandelt ffaben. Liüsternd liefen die 
Sespräche durcheinander, jeder wußte eine geffeimnisvolle 
Auslegung zu dieser Seschichte. Dun, das konnte man ver- 
steffen, daß sich die Sedanken um den morgigen Kampftag 
schon ffeute in Ereignissen verdichten wollten. Lrische Leute, 
die vor ein paar Wochen mit einem Marschbaon fferaus- 
kamen und noch keine eigenen Lronterlebniffe besaßen, zogen 
schüchtern Erkundigungen ein. Da erklärten iffnen die alten 
Leidtiger: „Es schadet nichts, wenn iffr auch etwas mitmacht. 
Solange iffr eine Menage bekommt und nicht naseweis den 
Kopf fferaussteckt oder eine Sranate euch nicht den Dauch 
aufreißt, so lange wird euch ffier kein Leid gescheffenl" 
slufgeregt machte sich nun der Einjäffrigen-Zugssüffrer be¬ 
merkbar. Man ffatte iffn aus dem Dauernffaus, wo sein 
sjuffn kochte, ffinausgewiesen. Das ließ iffn selbstverständlich 
nicht zur Duffe kommen, denn er war aus das kenderl ganz 
erpicht. Llugs ffatte er es in einer unbemerkten Minute mit 
dem Bajonett aus dem Kochtops fferausgespießt, aber es war 
nur ffalb gekocht und waffrscheinlich eine ganz alte kenne, so 
daß sich jedes Stückchen LIeisch wie ein Summiband zwischen 
den Zäffnen zog. wirklich, es war ein langer und schrecklicher 
Kampf bis er es verZeffrt ffatte. 
Segen die Morgendämmerung ffin war alles eingeschlum¬ 
mert. Mit gelben Sesichtern und offenem Munde, aus dem 
die Zäffne ffervorstanden, lagen die Leute in iffren Erdlöchern. 
Mag sein, daß es keine wiege gab, in der es sich so urge¬ 
mütlich träumte, wie in dieser schüffenden Erde. Der tiefste 
Wunsch aller Iräume wird woffl gewesen sein: Ein wieder- 
seffen mit der keimat und der Sieg. 
Mit dem beginnenden lageslicht konnten wir uns nun 
genauer orientieren, wir befanden uns in dem kupierten 
Selände rechts oberffalb der Straße von larnüw und ffatten 
nicht parallele, sondern senkrechte Dichtung zu einem Stein¬ 
bruch ffin, in dessen Däffe wir undeutlich feindliche Stellungen 
bemerkten, vorderffand sollten wir keine andere flusgabe 
ffaben, als einen etwaigen Segenangriff der Duffen von rechts 
oder links unter Llankenfeuer zu neffmen. Es war zu be¬ 
fürchten, daß wir infolge unserer ganz falschen Placierung 
mit flngriffsbeginn selbst Llankenfeuer bekamen und es fefflte 
natürlich nicht an Vorstellungen. Ich fförte aber, wie man die 
Situation unserem Oberleutnant gegenüber absolut unbedenk¬ 
lich fand. Dun war es auch mit der Lcuerstille zu Ende. 
Schon pfiffen feindliche kugeln über unseren köpfen. Um 
k Uffr morgens sollten unsere Iruppen iffre Sräben ver¬ 
lassen und zum flngriff Ubergeffen. Zefft eröffneten auch un¬ 
sere schweren Mörser das Leuer. Es fförte sich an wie das 
Surgeln in einem wasserloch und zog sich ffin sekundenlang, 
bis die Bombe mit ungeffeurem Dröffnen beim feindlichen Sra- 
bcn einschlug. Bald brauste es wie Sturm durch die Luft, 
denn die feindliche flrtillerie erwiderte die Schießerei, aller¬ 
dings mit bedeutend geringerer Wirkung. Zunächst sandten 
uns die Duffen Schrapnells und kleinere Sranaten, die weitab 
irgendwo ffinten einschlugen, pllmäfflich aber verlegten sie das 
Leuer direkt auf unsere Srabenlinien. Lrisch und klar war der 
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