Die digitale Landesbibliothek Oberösterreich

Beantwortung der Frage, ob das ganze Frankreich oder nur 
***' ein Teil des französischen Volkes den Krieg gewollt hat, ist 
eigentlich müßig. Der durchschnittliche Franzose war friedliebend, 
wenn auch in unbestimmter und negativer Weise, seine echte Anti¬ 
pathie gegen Deutschland bekundete sich in der Hauptsache darin, 
sich in kindlicher Art jeweils dann zu freuen, falls uns, nach seiner 
Meinung, irgendwie etwas mißlang. Nun ist es für denDurchschnitts- 
franzosen (wie für jeden Durchschnittsbürger fast aller Staaten) 
charakteristisch, daß ihm kein Einfluß auf die Gestaltung der inner¬ 
und außerpolitischen Zustände und Schicksale seines Staates zu 
eigen ist; er läßt sich und ließ sich führen, auf die Weisheit seiner 
von ihm gewählten Vertreter und letzter Land aus seinen Stimm¬ 
zettel vertrauend, der dem ganzen Volke bekanntlich die ganze 
„Souveränität" und ihm selbst deren Zwölfmillionstel verbürgt. 
Am so anregender ist die Lösung des Problems, welche Faktoren 
in Frankreich vor dem Kriege maßgebend waren, welche Faktoren 
unfern Nachbarn in den Krieg stürzten, und in welchem Maße sie 
hierbei mit den breiteren Strömungen im Volke zu rechnen hatten. 
Bei der Erörterung dieses Problems soll von den öffentlich-recht¬ 
lichen Einrichtungen der dritten französischen Republik, wie über¬ 
haupt von einer staatsrechtlichen Betrachtung abgesehen werden, 
da die ersteren seit der Beendigung der Dreifusaffäre kaum eine 
ausschlaggebende Rolle spielten, und weil wir bei einer staatsrecht¬ 
lichen Betrachtung von Frankreich ein recht schiefes Bild von der 
gesellschaftlichen Organisation seines politischen Lebens erhielten, 
auf die es aber vor allem ankäme. Auch von dieser soll einleitend 
nur insoweit eine Skizze gegeben werden, als dies zur Klärung 
des vorliegenden Problems notwendig erscheint. 
Das Frankreich nach der Dreifusaffäre wurde von einer 
finanziellen Oligarchie in der gleichen Weise etwa beherrscht 
und verwaltet, wie es der Pächter mit seinem auf Zeit übernommenen 
Gute tut. Es würde zu weit führen, falls wir hier das schon oft 
geschilderte Werden dieser Oligarchie, die von der großen Revo- 
lution aus der Taufe gehoben wurde, noch einmal schildern wollten. 
Mit dem „enrichissez-vous“ Guizots als Losung, errangen wenige 
Familien in Frankreich Geld, Macht und Ansehen, um schlie߬ 
lich mit großer Logik den Lauptangriff auf den einzigen Macht¬ 
faktor zu konzentrieren, der ihnen gefährlich werden konnte, auf die 
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