Volltext: Frankreichs finanzielle Oligarchie [66]

einer Besteuerung der ausländischen Effekten und schließlich der 
Besteuerung der sranzöstschen Rente, dieses Symbols der dritten 
Republik, an das, nebenbei bemerkt, bis jetzt noch niemand zu 
tasten gewagt hatte. 
Die Einkommensteuer war seit vielen Jahrzehnten ein Postulat 
der Radikalen und der demokratischen Republik überhaupt, ihre 
Nichteinführung war der beste Beweis für die Ohnmacht des 
französischen Parlamentarismus. Der Kampf gegen diesen teils 
impotenten, teils korrumpierten Parlamentarismus, der Kampf 
gegen die französische Kammer'als einer „Republik der Kameraden", 
in der eine unsaubere Land die andere schmiert, der Äohn über 
das gespensterhafte Parteileben und der Laß gegen jene berufs¬ 
mäßigen Politiker, die als Anwälte der großen „Interessen" all¬ 
gemein bekannt und bis vor kurzem allgemein geachtet und gefürchtet 
worden waren, dieser Kampf und dieser Spott nahmen seit 1910 
etwa immer schonungslosere Formen an. An Mitkämpfern und 
an Anzufriedenen aus allen Lagern fehlte es auch nicht. Die Kleri¬ 
kalen, hinter denen allerdings ebenfalls riesenhafte Finanzintereffen 
standen, warfen ihre Steine nach dem verhaßten Gegner, soweit 
dies aus dem Glashause heraus möglich war, die Monarchisten 
hatten ein leichtes Spiel darin, die vorhandene Oligarchie mit 
ihrem Sumpf von Korruption als ein jeder Republik notwendiger¬ 
weise anhaftendes Laster zu kennzeichnen, die ehrlichen Republikaner 
selber seufzten über eine Republik, die unter dem Kaiserreich so 
schön gewesen sei, und aufs wirkungsvollste wurde dieser Kamps 
von den syndikalistischen Arbeiterkreisen unterstützt, denen das 
„Reformieren" zu langweilig schien und die rasche und „ganze" 
Arbeit verlangten, zum großen Schrecken eines James. 
Dieser vielfältige Ansturm gegen die finanzielle Oligarchie wäre 
dann ungefährlich gewesen, falls die Großbourgeoisie Frankreichs 
noch über Männer verfügt hätte, die ungestraft einen Panamaskandal 
machten und die beim Entscheidungskampfe nicht nur ihre Familie 
und ihr Lab und Gut, sondern sich selbst aufs Spiel gesetzt hätten. 
Aber an solchen Männern fehlte es durchaus. Die Enkel und Arenkel 
der Leiden Balzacs waren entartet. Frankreichs reiche Bürgerklasse 
stand und steht heute im Zeichen des Verfalls und mußte, um den 
Mangel im eigenen Lager zu ersetzen, „Kinder des Volkes" mieten 
wie die Briand, Millerand, Viviani, Leute von oft zweideutiger 
Äerkunft und bar jener harten und beschränkten Kastenvorurteile, 
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