Volltext: Frankreichs finanzielle Oligarchie [66]

Veto entlegen, falls es sich um die Einführung gewisser Werte an 
der offiziellen Börse, dem sogenannten Parquet, handelt, dagegen 
ist es ihm, wie der Regierung überhaupt, nicht möglich, auf den 
nichtoffiziellen Markt, die sogenannte Kulisse, verhindernd einzu¬ 
wirken.) Nun erfolgte die Emission neuer, fremder Anleihen meist 
zu forciertem Kurs, der „Temps“ selber hat in dem Augenblick, in 
dem er vom Lager der finanziellen Oligarchie in das der Ver¬ 
geltungspolitiker und der hinter diesen stehenden Bertie und 
Iswolsky übertrat, die dem kleinen Sparer hierdurch entstehende 
Einbuße auf 15 vom Hundert des gezeichneten Betrages be¬ 
rechnet, was in Anbetracht des Amstandes, daß zum Beispiel 
von 1903 bis 1912 neue Werte im Gesamtbeträge von 43 Milliar¬ 
den emittiert wurden, für die Bankokratie ein recht hübsches 
Geschäft darstellen mußte. Nach der russischen Niederlage nun 
stellten zunächst einige Winkelblätter, dann eine beträchtliche 
Zahl von Finanzzeitschriften, die von der „chantage“ lebten, und 
schließlich reinere Revuen ähnliche Betrachtungen an, so daß es 
selbst zur Kritik in der Kammer kam. Kurz, man machte der herr¬ 
schenden Oligarchie den Vorwurf, vaterlandslos und profitgierig 
auf Kosten des kleinen Sparers und Kapitalisten zu sein. Damals 
war es das erstemal, daß sich die finanzielle Oligarchie zu einem 
Entgegenkommen genötigt sah, daß sie einer der Hauptströmungen 
in Frankreich ernsthafter Rechnung tragen nmßte. Man tat dies 
dadurch, daß man durch Leroy-Beaulieu, Thery, RaphaÄ-Georges 
Levy und andere Söldner die französische Finanzkrast als beste 
politisch-diplomatische Waffe Frankreichs proklamieren ließ. 
Dieser Schachzug war klug, aber nicht unbedenklich. Der 
Vorteil bestand darin, daß nun hinter den Anleihegeschäften mit 
dem Ausland das ganze nationalistische Frankreich stand, während 
man früher das gleiche Geschäft mit keinem anderen Schwergewicht 
als dem des gebotenen Goldes betrieben hatte. Der Nachteil aber 
lag in der Art von Kontrolle der Lochfinanz durch das gleiche 
Frankreich, die jedoch anfangs deshalb leichter zu ertragen war, 
weil die finanzielle Oligarchie die „öffentliche Meinung" in ge¬ 
schickter Weise zu machen verstand. Sei dem sonst, wie ihm wolle, 
sicher ist es, daß diese Oligarchie eher wider ihren Willen in natio¬ 
nalistisches Fahrwasser geriet. 
An Illustrationen für die Verwendung der französischen Finanz¬ 
kraft als diplomatisch-politische Waffe fehlt es wahrlich nicht. Man 
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