Volltext: Frankreichs finanzielle Oligarchie [66]

Feldzug gegen die Sorglosigkeit einer Regierung ein, die von 
„internationalen Finanziers" beherrscht sei und die nur eines könne, 
nämlich die Orders dieser Finanziers auszuführen. Dieser Feldzug 
war zum Teil aufrichtig; auch wurde er von jenem Teil der fran¬ 
zösischen Presse getragen, den man allzu kavaliermäßig behandelt 
hatte, und die katholischen Machtfaktoren fanden hier eine will¬ 
kommene Gelegenheit, um gegen das Prestige der stark jüdisch- 
protestantisch-freimaurerischen Oligarchie anzukämpfen. 
Am das Schwergewicht dieser und der späteren Kritik an der 
Finanzmißwirtschaft der herrschenden Oligarchie zu ermessen, be¬ 
darf es einer knappen Beleuchtung der politisch-diplomatischen 
Rolle der Bankokratie Frankreichs. Finanziell war die 
französische Laute-Banque bis wenige Jahre vor dem Kriege 
absolut sicher fundiert, sie konzentrierte alle Kapitalien und vor¬ 
nehmlich die der Sparkassen, um sie nach Gutdünken zu verwalten 
und um den Glanz des Aushängeschildes des „Bankiers von 
Europa", der französischen Rente nämlich, immer rein zu erhalten — 
was unter anderem dadurch geschah, daß die Sparkassen fast aus¬ 
schließlich Renten kaufen mußten, wodurch deren Kurs künstlich 
hochgehalten wurde. Dementsprechend war das moralische Einsehen 
der französischen Großinstitute ungeheuer und nur dem etwa ver¬ 
gleichbar, das früher der Kirche entgegengebracht wurde. Ebenso 
wie der Priester als Vermittler um die seelischen Bedürfnisse und 
Röte seiner Pflegebefohlenen wußte, so wußte der Vertreter der 
Großinstitute, die ganz Frankreich und dessen Kolonien mit einem 
engmaschigen Retz von Filialen überspannt hatten, um die peku¬ 
niären Verhältnisse seines Kunden, der ihm völlig traute. Derart 
war das Anterbringen der Papiere einer neuen Anleihe immer 
etwas todsicheres (bis kurz vor dem Kriege), verhindert oder er¬ 
schwert konnte es nur durch die große Presse werden, diese aber 
wurde in innigster Weise an einem blühenden Anleihegeschäft 
interessiert. Jedes Pariser und jedes große Provinzblatt erhielt, 
je nach seiner Bedeutung, eine bestimmte, genau festgelegte Summe, 
wofür es zu stimulieren oder zum mindesten zu schweigen hatte. 
Ganz abgesehen davon, daß die französische Regierung in der Tat 
meist nur der Ausführende der Oligarchie war, fehlte es ihr an einer 
Landhabe, um etwa einem die flanzösische Auslandspolitik ge¬ 
fährdenden, allzu selbständigen'Vorgehen der Bankokratie zu be¬ 
gegnen. (Zwar kann der flanzösische Finanzminister dann sein 
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