Volltext: Frankreichs finanzielle Oligarchie [66]

Familien sind nicht miteinander verschworen, dagegen stehen sie in 
ständiger Fühlung zueinander, was sich ja schon aus ihrer sozialen 
Stellung und aus der Tatsache ergibt, daß sie miteinander ver¬ 
schwägert sind. Gewiß trifft man sich manchmal zu diesem oder 
jenem Zweck, z. B. dann, falls über die Wahl eines neuen Finanz¬ 
ministers beraten werden soll, die in recht bezeichnender Weise des 
öfteren in irgendeinem der Bankpaläste stattfand; aber die in voll¬ 
endeter Weise gesellige (sociable) Struktur des französischen Volkes 
macht im allgemeinen derartige Zusammenkünfte überflüssig. Daß 
man in geschlossener Front dasteht oder vorgeht, ist allein schon 
dem Amstand zuzuschreiben, daß man als Block angegriffen und ver¬ 
antwortlich gemacht zu werden pflegt und auch als Block kritisiert 
wird. Also hier muß von jeglicher Lintertreppenromantik abgesehen 
werden; für denjenigen, der klar sehen will, liegen in Frankreich alle 
Dinge klar zutage, so auch das Vorhandensein und das herrschen 
dieser Oligarchie. Wenn man, im Widerspruch zu dieser Klarheit, so 
selten klare Vorstellungen der hier in Betracht kommenden Verhältnisse 
in Frankreich vorfindet, so einfach deshalb, weil man, gewisser Gründe 
wegen, teils nicht klar sehen und schildern will, teils in einer Anmasse 
von abstrakten Vorstellungen befangen ist, mit denen es sich so bequem 
arbeiten läßt. Frankreich ist eine Demokratie, Frankreich ist ein parla¬ 
mentarisch regierter Staat, und zudem ist es eine Republik — mit 
diesen papierenen Tatsachen gibt man sich zuftieden, um auf ihnen 
gleich wertvolle Schilderungen und Darstellungen aufzubauen. 
Aber die Maximen der inneren Politik dieser finanziellen, 
absolut und niemand verantwortlich herrschenden Oligarchie ließe 
sich viel Wertvolles sagen, das uns über manche Rätsel der fran¬ 
zösischen Innenpolitik aufklären würde. L>ier seien nur einige dieser 
Maximen genannt. Da die finanzielle Oligarchie in der Hauptsache 
mittels des Parlamentarismus und der Presse herrschte, war es für 
sie ein doppeltes Gebot, keine innerlich starken Parteien und über¬ 
haupt keine andere als die eigene Autorität aufkommen oder bestehen 
zu lassen. Man erreichte dies dadurch, daß man das Parteileben 
möglichst zersplitterte, wie etwa das der Sozialisten, daß man keine 
starken Gegenorganisationen entstehen ließ und daß man die hervor¬ 
ragendsten Politiker soweit als möglich kompromittierte. Die links¬ 
stehenden Parlamentarier mußten konservative, die rechtsstehenden 
mußten radikale Politik betreiben, an die Verwirklichung der uralten 
Programme durfte gar nicht gedacht werden, einer gefährdenden De - 
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