Volltext: Praktisches Verfahren beim Taubstummen-Unterrichte

Einleitung. 
—Ai--o--M 
taubstumme Kind unterscheidet sich von dem vollsinnigen 
nur durch den Mangel des Gehörs, welcher die Sprachlosigkeit zur 
natürlichen und nothwendigen Folge hat. In der Seele des Taub 
stummen liegt daher ebenso ein gewisses Maß von geistigen Kräften 
und Anlagen, wie in der Seele des Vollsinnigen. 
Da nun die Gesetze, nach welchen die Kräfte und Anlagen der 
Seele sich entwickeln, in der Natur des menschlichen Geistes gegrün 
det und somit allgemein sind, so müssen sie eben so gut von dem 
Taubstummen, wie von dem Vollstnnigen gelten. Dieselben Grund 
sätze also, welche den Lehrer und Erzieher leiten müssen, damit die 
Seelenkräfte seines vollsinnigen Zöglings harmonisch entwickelt und 
naturgemäß gebildet werden, hat auch der Lehrer der Taubstummen 
im Allgemeinen zu befolgen, und dieser zwar noch viel genauer und 
in weit strengerem Sinne, weil dem Taubstummen in Folge seiner 
Gebrechen aller geistige Verkehr und jede Mittheilung durch Sprache 
mangelt, welche bei dem Unterrichte Vollsinniger gar viele Lücken 
und Sprünge im logischen Stufengange ersetzt und vermittelt. Wäh 
rend z. B. der Lehrer vollsinniger Kinder beim Anfange des Unter 
richtes schon eine Menge Begriffe vorfindet, gar Vieles als schon 
bekannt voraussetzen kann, und daher seinen Unterricht immer nur 
an das schon Bekannte anzuknüpfen braucht; darf der Taubstummen- 
Lehrer nichts als bekannt voraussetzen, sondern er muß auf die Ent 
wicklung und Beibringung solcher sinnlichen Vorstellungen und ihrer 
Bezeichnung, die das vollsiunige Kind als schon bekannt in die Schule 
mitbringt, oft noch viele Zeit verwenden. Der Taubstumme, welcher 
in den Unterricht kommt, bringt fast gar keine Begriffe mit sich; und 
selbst jene sinnlichen Vorstellungen, die er bereits mit sich bringt, darf 
der Lehrer nicht als ganz bekannt übergehen, sondern er muß auch 
diese wieder durchnehmen, theils um das etwa Mangelhafte oder 
Irrige derselben zu ergänzen und zu berichtigen, theils aber und vor- 
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