Volltext: "Mitteleuropa" [92]

reichs. Sie sollte nach Leibniz' Plan nicht etwa durch eine Welt¬ 
herrschaft Deutschlands erseht werden. Denn damit war der 
Völkerfriede unvereinbar. — 
Die Leibnizschen Gedanken blieben in der nächsten Folgezeit 
das Werk eines Beginners. Fortsetzer und Ausgestalter fanden 
sich nicht. Anter den Vertretern des deutschen Staatsrechts 
waren sie nicht zu erwarten. Die Staatsmänner waren nur auf 
das Wohl ihrer Landesherren bedacht. Das politische Interesse 
war gering, besonders das nationalpolitische. Das Zeitalter der 
Aufklärung stand im Zeichen des Weltbürgertums. Vor allen, 
aber gestalteten sich die politischen Verhältnisse in Mitteleuropa 
so, daß sie der damals natürlichen Lösung des mitteleuropäischen 
Gedankens stracks zuwiderliefen. 
Denn mit Friedrich dem Großen erreicht das allmählich 
aufgestiegene Preußen den Rang der fünften Großmacht in 
Europa. Am die Mitte des 18. Jahrhunderts beginnt das 
Ringen Österreichs und Preußens um das Übergewicht bei der 
Bildung Deutschlands. Das Verhältnis der beiden großen 
deutschen Staaten gegeneinander wurde die wichtigste Frage der 
deutschen Geschichte. Erstrebte Friedrich der Große mit seinem Plan 
eines Fürstenbundes (1785) ein Deutschland unter preußischer 
Führung? Ein solches hat dem König, dessen Kriegs- und 
Friedenstaten der Einigung Deutschlands am meisten vorgearbeitet 
haben, wohl ferngelegen, wenn man dem Inhalt seiner Denkschrift 
folgt. Es lebte zwar in weiten Kreisen, beeinflußt durch die alte 
Weissagung von Lehnin, der Glaube an den Übergang des Kaiser¬ 
tums auf das Laus der Lohenzollern. Für Friedrich aber war 
nur die Bekämpfung kaiserlicher Übermacht der Zweck des Bundes; 
trotzdem war es eine Wendung der deutschen Geschichte von 
größter Tragweite, daß Preußen zum erstenmal die Führung in 
einer deutschen Sache hatte. 
Wie weit aber der Fürstenbund von dem entfernt war, was 
wir den mitteleuropäischen Gedanken nennen, zeigen die Worte 
der dem Fürstenbund gewidmeten Denkschrift: 
„Deutschland, in der Mitte Europas gelegen, von einem 
ebenso zahlreichen als kriegerischen Volke bewohnt und von einer 
großen Zahl angesehener Fürsten unter einem sehr mächtigen 
Oberhaupt regiert, hat keinen fremden Einfall zu fürchten, ohne 
doch Eroberungen nach außen machen zu können." 
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