Das eigentlich Heldenhafte in Bismarck ist der Mut zur
Verantwortung. „Die Scheu vor Verantwortung ist eine Krank¬
heit unserer Zeit," heißt es in der berühmten Rede über die
Todesstrafe.^) Er übernahm die Verantwortung für Gedanken
und Taten, die leichtsinnig oder vermessen schienen, und erfüllte,
was alle Besten seiner Zeit ersehnten, auf Wegen, die sie selber
ungangbar oder verhängnisvoll dünkten, die aller Maximen
spotteten. In den innerlich größten Momenten seines staats-
männischen Wirkens finden wir ihn daher in ergreifender Ein¬
samkeit. So in dem wohl menschlich allergrößten, als er „seinen
Krieg", wie er einmal sagte/) den von 1866, durchsetzte, damals
der bestgehaßte Mann in Deutschland, von einigen für wahn¬
sinnig, von einigen für verbrecherisch gehalten, von niemand wirk¬
lich mit Liebe und Vertrauen geleitet, am Rande des Todes aus
dem Straßenpflaster, des politischen Märtyrertodes, wandelnd,
dem er bei Übernahme des Ministeriums entgegengesehen hatte/)
und der ihn im Attentat am 7. Mai ^streifte. Wiederum stand
er ganz allein gegen alle, als er, nicht weniger groß, diesen mit
einer Schlacht entschiedenen Krieg abbrach und den glänzend ge¬
wonnenen Sieg freiwillig preiszugeben schien durch einen uner¬
wartet gemäßigten Frieden, der dann die Feinde zu Verbündeten
gewann. Dreimal hat er sein Werk, seinen Erfolg, seine Ehre
und vielleicht sein Leben auf die stets gewagte Probe eines Krieges
stellen müssen, dazu auf ein Wagnis, bei dessen Durchführung er
selbst sich nicht leitend betätigen konnte; eine Lage, die die oft
in der Geschichte bei Zivilstaatsmännern zu beobachtende Furcht
vor dem Waffenappell erklärt. Bismarck übernahm die Verant¬
wortung für ein Handeln, an dem er entscheidend nicht mitwirken
konnte, dessen ungünstiger Ausgang aber ihm zuerst die Steinigung
gebracht hätte. Die absolute Unabhängigkeit von irgendeinem
Maß von Gemeinschaft oder Zustimmung oder Beifall tritt auch
in seiner Behandlung der politischen Parteien immer wieder her-
7