Volltext: Bismarcks Glaube [40]

Das eigentlich Heldenhafte in Bismarck ist der Mut zur 
Verantwortung. „Die Scheu vor Verantwortung ist eine Krank¬ 
heit unserer Zeit," heißt es in der berühmten Rede über die 
Todesstrafe.^) Er übernahm die Verantwortung für Gedanken 
und Taten, die leichtsinnig oder vermessen schienen, und erfüllte, 
was alle Besten seiner Zeit ersehnten, auf Wegen, die sie selber 
ungangbar oder verhängnisvoll dünkten, die aller Maximen 
spotteten. In den innerlich größten Momenten seines staats- 
männischen Wirkens finden wir ihn daher in ergreifender Ein¬ 
samkeit. So in dem wohl menschlich allergrößten, als er „seinen 
Krieg", wie er einmal sagte/) den von 1866, durchsetzte, damals 
der bestgehaßte Mann in Deutschland, von einigen für wahn¬ 
sinnig, von einigen für verbrecherisch gehalten, von niemand wirk¬ 
lich mit Liebe und Vertrauen geleitet, am Rande des Todes aus 
dem Straßenpflaster, des politischen Märtyrertodes, wandelnd, 
dem er bei Übernahme des Ministeriums entgegengesehen hatte/) 
und der ihn im Attentat am 7. Mai ^streifte. Wiederum stand 
er ganz allein gegen alle, als er, nicht weniger groß, diesen mit 
einer Schlacht entschiedenen Krieg abbrach und den glänzend ge¬ 
wonnenen Sieg freiwillig preiszugeben schien durch einen uner¬ 
wartet gemäßigten Frieden, der dann die Feinde zu Verbündeten 
gewann. Dreimal hat er sein Werk, seinen Erfolg, seine Ehre 
und vielleicht sein Leben auf die stets gewagte Probe eines Krieges 
stellen müssen, dazu auf ein Wagnis, bei dessen Durchführung er 
selbst sich nicht leitend betätigen konnte; eine Lage, die die oft 
in der Geschichte bei Zivilstaatsmännern zu beobachtende Furcht 
vor dem Waffenappell erklärt. Bismarck übernahm die Verant¬ 
wortung für ein Handeln, an dem er entscheidend nicht mitwirken 
konnte, dessen ungünstiger Ausgang aber ihm zuerst die Steinigung 
gebracht hätte. Die absolute Unabhängigkeit von irgendeinem 
Maß von Gemeinschaft oder Zustimmung oder Beifall tritt auch 
in seiner Behandlung der politischen Parteien immer wieder her- 
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