Volltext: Mappe IV: Montenegro und Albanien (Mappe 4 ; / 1917)

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RUINEN AM GESTADE. 
Unser Bild (31) zeigt uns die Steilküste bei San Giovanni di Medua in 
der ruhmreichen Zeit, da die verbündeten Heere Österreich-Ungarns und Deutsche 
lands den großslawischen Träumen Serbiens und Montenegros ein furchtbares 
Erwachen bereiteten. Der Xenophontische Ruf „Thallata“ mag wohl auch aus 
den Reihen unserer schlachtenerfahrenen, wettergebeizten Krieger aufgebraust 
sein, als sie zwischen den Karstgipfeln Albaniens den Schimmer der Adria 
zuerst erschauten. Freilich sänftigt selbst dieses blaue Märchenmeer nicht den 
wilden Charakter Albaniens. Von zahllosen büschelartigen Sträuchern bestanden, 
neigen sich steinige Hänge, jäh abfallend, gegen die Flut, die bei der Bora oft 
genug an ihren Klippen wütend aufzischt. Unsere Aufnahme zeigt scheinbar ein 
friedlicheres Detail. Ein Häusersaum ist an die Grenze zwischen Stein und 
Wasser hingeheftet und mildert durch seine weißen Mauern die starre, urzeit- 
liehe Gewaltsamkeit der umgebenden Natur. Und doch ist dies nur trügerisch, 
denn blickt man genauer hin, auf diese leuchtende Häuserzeile, so gewahrt man 
in ihr einen traurigen, aber sehr stilgerechten Fries zu dieser zerklüfteten Land¬ 
schaft. Wohnstätten von Menschen einst, doch nun geborstene, vom Eisenhagel 
zerbissene Ruinen sind es, die sich unserem Auge darbieten und wenn über 
einige große Decken gebreitet wurden, wie Bahrtücher anzusehen, so haben 
sich die plötzlich ihres Heimes beraubten Bewohner dadurch ein improvisiertes 
Dach geschaffen, das bestimmt ist, sie wenigstens vor den ärgsten Unbilden der 
Witterung zu schirmen. Und auch unsere braven Soldaten beobachten wir 
mannigfach tätig, diese Stätte der Zerstörung wieder nutzbar zu machen. Schon 
ist ein Feldtelephon errichtet; Schienenschwellen verheißen, daß auch binnen 
kurzem auf der geebneten und gestampften Straße eine Feldbahn vorüber¬ 
pfauchen wird, und gewaltige, herangerollte Baumklötze sollen wohl Gerüst und 
Bretter zu raschen Barackenbehausungen liefern, bis das jetzt traurig klaffende 
Gemäuer wieder in wohnliche Unterkünfte verwandelt ist. So zeigt das Janus¬ 
gesicht des Krieges uns hier seine beiden Profile: das schöpferische 
und das vernichtende, knapp aneinander im schmalen 
Raume zwischen Uferhang und Meer. 
IM HAFEN VON SAN GIOVANNI DI MEDUA* 
(VERSENKTE SCHIFFE.) 
Versenkte Schiffe! — Es ist ein düsterer Anblick, diese zerschossenen 
Riesenskelette in der lieblichen Bläue der Adria! Hier ragt noch eines mit dem 
Heck auf, ein anderes sank bis auf die Mastspitzen, der klotzige Rauchfang 
eines dritten steht wie ein schwarzer Barren in der von leichten Brisen ge¬ 
kräuselten Flut. Ein Kirchhof der Schiffe ist die stille Bai, eine letzte Ruhe 
nach hunderttausend Zielen. Denn wieviele Fahrten auf zahllosen Meeren, Rast 
in phantastischen Häfen fernster Erdteile, Abenteuer bei farbigen Völkern, 
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