Volltext: Mappe IV: Montenegro und Albanien (Mappe 4 ; / 1917)

26-30 " Jahrhunderten hocken kluge Türken voll schweigendem Anstand rauchend vor 
ihren Bazaren; seit Jahrhunderten üben sie die gleichen geheiligten Bräuche und 
'Waschungen mit dem Antlitz gegen Osten, wenn die Muezzins Gott anrufen 
von ihren schlanken Minaretten; seit Jahrhunderten murmeln sie die gleichen 
Koransprüche, die Suren, — und die Zeit, die alles Verzehrende, scheint still/ 
gehalten zu haben vor der ruhigen Feierlichkeit dieser Völker, deren Gott von 
der Adria bis zum Ganges ihrem Glauben das gleiche Gesicht gegeben hat. 
Eintausendachthundert Buden soll der Bazar von Skutari zählen; allerdings 
mindern die häufigen Brände diese Zahl. Ein furchtbares Erdbeben hatte ihn 
am 1. Juni 1905 fast völlig zerstört, doch wuchs er wieder rasch aus dem Schutt, 
da er ein unentbehrliches Bedürfnis der handelsreichen Stadt bildet, das an Markt/ 
tagen zumal den Andrang der Käufer und Verkäufer kaum fassen kann. Die 
Landbevölkerung ganz Oberalbaniens sammelt sich hier; Serben, Montenegriner 
und Italiener mischen sich darunter; es ist ein Babel von Sprachen und Trachten. 
Ein Hafenviertel freilich hat Skutari nicht entwickelt, denn der von dschungel/ 
artigen Sümpfen, von Inseln und Inselchen zermolkte See ist für Schiffe mit 
größerem Tiefgang unbrauchbar und selbst Kähne haben Schwierigkeiten, wie 
uns Bild 29 beweist, das einen Truppentransport auf dem Skutarisee darstellt. 
Allerdings machte sich unsere Heeresverwaltung sofort nach der Einnahme der 
Stadt an eine energische Ausbaggerung des Sees. Taucher — Bild 30 zeigt sie 
uns an der Arbeit — erkundeten das Seeterrain, und bald pfauchten, pfiffen und 
rasselten die Baggermaschinen und warfen Haufen von Schlamm und Strandgut 
aus. Nun wird sich die Stadt, die sich bisher fast zwei Kilometer vom See 
ferne hielt, wohl langsam hintasten, um so mehr, als mit dieser Tat unserer 
Verwaltung auch hygienisch durch die damit verbundene Eindämmung der Ma/ 
laria/ und Typhusgefahr ein gewaltiges Werk geschehen ist voll segensreicher 
Vorbedeutung für die Zukunft der Stadt. 
Denn Zukunft hat Skutari. Es besitzt ja schon eine Gegenwart, neben seiner 
ruhmreichen Vergangenheit, eine starke lebendige Gegenwart. Dreißigtausend 
Seelen zählt die Stadt, ein Drittel davon katholisch, zwei Drittel mohammedanisch. 
Es gibt manche Prachtgebäude dort in der Altstadt, in die man über die Bazar/ 
Straße kommt. Auf dem Hauptplatz stehen die Regierungsgebäude und die mäch/ 
tige Hauptmoschee. Der „Volksgarten“ liegt in der Nähe, das Jesuitenkollegium 
und die katholische Kathedrale, ein für Skutarische Verhältnisse mächtiger Bau, 
der angeblich 2500 Menschen zu fassen imstande ist. Eine kleine orthodoxe 
Kirche ist auch vorhanden; am zahlreichsten aber sind die Moscheen, deren 
schlanke Minarette und plumpe Kuppeln der Stadt ihr charakteristisch orien/ 
talisches Gepräge geben. 
In industrieller Beziehung besitzt Skutari außer dem schon erwähnten Bazar, 
der es zum wichtigsten Handelsplatz Oberalbaniens macht, noch eine ganze 
Menge engerer Vorzüge, die mehr auf kunsthandwerklichem Gebiet liegen. Es 
ist nämlich eine starke Heimkunst, wie in allen ehemaligen venezianischen Ko/ 
lonien, die dereinst gezwungen waren, ihre hausindustriellen Erzeugnisse der La/ 
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