Aktion, dann ergibt man sich in sein Schicksal. Und dennoch hat keiner von
denen, die sich gefangen nehmen lassen, im ersten Moment klares Bewußtsein,
keiner weiß, was es heißt, von nun ab ein willenloses Objekt in den Händen
eines übelgesinnten Feindes zu sein; keiner kennt das ganze Ausmaß der Bittere
keit, in fremdem Land als Fremder, als Feind behandelt zu werden. Die Bitter«'
keit bleibt sogar dann, wenn Humanität auch im Gegner den Menschen achtet,
wie es bei uns geschieht. Darüber, daß die Gefangenen, die in unsere Hände
geraten sind» grausam, hart, rücksichtslos behandelt werden, haben wir nichts
erfahren und selbst in den feindlichen Parlamenten mußte zugegeben werden,
daß die von böswilliger Seite von Zeit zu Zeit ausgestreuten Gerüchte über
unwürdige Maßnahmen gegen hilflose Gefangene jeder Grundlage entbehren.
Vom Gegenteil allerdings ist manches in die Öffentlichkeit gedrungen. Insbes
sondere die russischen Gefangenen, die in ländlichen Bezirken untergebracht sind
und die zu landwirtschaftlichen Arbeiten verwendet wurden, begannen sich bald
in der wohlwollenden und gutmütigen Umgebung so zufrieden zu fühlen, daß
über unser Land und seine Bewohner ganz anderer Meinung wurden, als
sie
sie vorher waren. Das haben viele von ihnen eingestanden. Was hatte
man unseren Feinden alles von unserer Barbarei erzählt?! Welche Angst,
welchen Schrecken empfanden die ersten Gefangenen, die nichts anderes
dachten, als sofort umgebracht zu werden. Aber die Wahrheit sickerte in nicht
zu langer Zeit in den Briefen an die Heimat durch, die Inspektionsreisen Neu««
traler taten das Ihrige und es dauerte nicht lange, so wußten die feindlichen
Soldaten genau, was ihnen außer dem obligaten Schmerz der persönlichen Un««
freiheit im Feindesland bevorstand. — Wesentlich anders gestaltete sich ja das
Los für die gefangenen höheren Offiziere. Sie, die nicht nur die physische Arbeit
des Krieges zu leisten haben, die mit dem Kopf, mit ihrem Geiste daran teils
nehmen, sie sind nun zu unwürdiger Tatenlosigkeit verurteilt, unter der sie schmerz«'
licher leiden als unter allen Entbehrungen. Zu wissen, daß das Vaterland sie
brauchen könnte und sie untätig, ohnmächtig dasitzen müssen, ohne den Gang
der Ereignisse beeinflußen zu können, ist ein starkes seelisches Leid, unter dem
selbst kräftige Naturen oft ihr Gleichgewicht verlieren.
Manchmal gelingt einer Truppe ein besonderer Fang: wenn ein ganzer Stab
durch eine Wendung in der Gefechtslage sich isoliert findet, umzingelt werden kann
und nun zwischen Tod und Gefangenschaft zu wählen hat. Ein Ergebnis eines
solchen glücklichen Manövers war es, als am 11. Mai 1915 vornehme Gäste
zum VII. Korps nach Bukovszko gebracht werden konnten. Der Straße entlang,
die zur einen Hälfte von Trainkolonnen in Anspruch genommen war, schritt
Generalleutnant Kormilow, der Kommandant der zersprengten 48. russischen
Division, gefolgt von drei österreichisch'-ungarischen Offizieren; hinter ihm gingen
in einiger Entfernung zwei russische Oberste, zwei Kapitäne und ein Garden
leutnant. Trotzdem wir an russischen Gefangenen niemals Mangel hatten, er«*
regte der kleine Zug dennoch berechtigtes Aufsehen, denn solch hohe Gäste
erhielten wir immerhin nicht alle Tage. Der General, der Röhrenstiefel trug