Volltext: Mappe II: Durch Galizien (Mappe 2 ; / 1916)

geworden so gut wie Jurisprudenz, Theologie und Medizin. Welch weiter Weg 
der Entwicklung liegt zwischen der Teutoburger Schlacht und Napoleonischen 
Bataillen, zwischen diesen und dem Zusammenbruch von Sedan, fast ein weiterer 
noch zwischen Moltkescher Heerlührung und der Kriegsgewalt der Gegenwart. 
Unser Jahrhundert des Menschenfluges hat schon sein eigenes Tempo, es hat 
in den letzten Jahrzehnten die Erfahrung aller Kriegshistorik überholt, sie in 
die Rumpelkammer der Menschheit verwiesen. Gar seit der Mukdener/Schlacht 
im fernen Ost! Japan war Trumpf und Oyama, der Marschall des Mikado, 
galt als Soldatenpapst, unfehlbar im Mysterium der Waffen, der Träger des 
Völkerschicksals. Seither sind 10 Jährchen, Zeitsekunden in der Kriegsgeschichte, 
die ja älter ist wie das Alte Testament, vorbei — und der europäische Krieg 
hat auch japanische Doktrin veralten lassen. Auf mandschurischer Erde hatte 
zum Beispiel das Feldgeschütz eine untergeordnete Rolle gespielt, heute do/ 
miniert es in der Schlacht. Und mit den Panzerforts in Eisenbeton zerflog 
auch der westeuropäische Wahn von der Unbezwingbarkeit des modernen 
Festungstyps. So zeigt der heutige Krieg ein völlig neues Gesicht, das halb/ 
wegs getreulich abzukonterfeien derzeit noch eine unerfüllbare schwierige und 
komplizierte Aufgabe ist. Mit den neuen Methoden des Krieges kam auch eine 
neue Romantik, ein neues Pathos des Krieges auf, wesentlich verschieden von 
denen, die den Kriegen älteren Stils ihren theatralisch/bunten Zauber gaben. 
Über den Zeitwandel mögen die Maler bittere Klage führen, da ihre feinste 
Kunst an dem Kriegsgebot „Unsichtbarkeit“ verzweifeln muß. Selbst die hohen 
Kommandostellen haben nimmer bildhafte Kulissen. Ein Blick auf die Befehl/ 
gebungsstätte eines Korpsführers, der doch Herr ist über mehr als 50.000 Kriegs/ 
leute^über mehr, als die stolzesten Lehensheere zählten, ist darum reine Ent/ 
täuschung. Wer im Jänner 1915 Debno, das galizische Dorf typischer Art, zu 
sehen Gelegenheit hatte,wird sicherlich die Neigung überwunden haben, den Größen/ 
begriff der Macht durchaus mit prunkendem Beiwerk zu versehen. Dieses er/ 
bärmliche Debno war ein ganz respektwidriger Standort eines Korpskommandos, 
noch dazu jenes des ruhmvollen XIV. Korps. Welcher Gegensatz! Die Blumen/ 
teufel, diese wundervollen Tiroler Bauernbuben, die Mark und Nerven hatten, 
d en grimmigen russischen Bären immer wieder anzuspringen, die mit goldenen 
und silbernen Tapferkeitsmedaillen behängten Kerle, die aussahen, als wären 
sie aus einem Hodler/ oder Egger/Lienz/Bilde gesprungen, sie, die Sieger 
waren bei Limanowa — und solche Behausung ihrer obersten Führer? Wahr/ 
haftig, mit Kopfschütteln mußte man bekennen, daß die Quellen des Schlachten/ 
ruhmes aus dürftiger Erde rauschen, vielleicht aber gerade am stolzesten aus 
so prunklosem Ursprung. 
Dort also in dem armen Dörflein, saß er, damals Korpskommandant 
und Feldmarschalleutnant Josef Roth. An seine Siegerlaufbahn inmitten der 
galizischen Entsagungen aber gemahnt die künftigen Geschlechter das Prädikat 
seines*im Kriege geadelten Namens: Ritter von Limanowa — Lapanöw. Die
	        
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