Volltext: Mappe II: Durch Galizien (Mappe 2 ; / 1916)

Eindringlinge vorzustoßen. Teile des VII. Korps lagerten an den Stationen 
Mezö^Laborcz und Vidräny — und warteten. Wohin sie geführt werden 
sollten, das wußte niemand zu jener Zeit. Es wußte kaum jemand von den 
Soldaten, daß eine große Offensive geplant, daß ein welterschütterndes Ereignis 
von den Zentralmächten vorbereitet, ja der Anmarsch bereits gegen die russische 
Mauer im Zuge sei. Manchmal sickern einige Gerüchte durch; in den Offiziers.« 
messen flattert ein Wort auf und findet den NVeg in die nächste Umwelt. Aber 
der einzelne Mann ist gänzlich im Ungewissen und ahnt gar nicht, was der 
nächste Tag ihm bringen wird. 
Dem Bahngeleise entlang ist Rast. Mensch und Tier lebt in engster Ge,« 
meinschaft. Man schläft auf der bloßen Erde, auf einem Brett, das über Fässer 
gelegt wurde, und keine Unebenheit, keine Härte des Lagers vermag mehr 
unsere feldgewohnten Männer vom Schlafe abzuhalten. Die Offiziere haben es 
in solchen Zeiten und Situationen kaum besser. Ein Haufen Stroh ist oft ihre 
Lagerstätte, ein paar aufeinandergestülpte Proviantsäcke dienen als Tische. Die 
Gulyaskanonen liefern auch ihnen das warme Mahl, das an Ort und Stelle 
verzehrt wird. Der Offiziersbursch allerdings, der etwas auf sich hält, tut auch 
hier sein Möglichstes, sucht einen Teller hervor, reinigt ihn, so gut es eben geht, 
beim Auslaufrohr der Lokomotive und zaubert immer wieder auf mysteriöse 
Art eine Flasche Bier, Wein oder Schnaps hervor. Das Mahl ist einfach, aber 
es schmeckt jedem. Und man ißt immer und überall, wo Gelegenheit sich bietet, 
denn im nächsten Augenblicke schon kann der unsichtbare Lenker durch Tele.» 
graphendrähte hindurch eine Botschaft senden, die mit einem Schlage den ganzen 
lagernden Haufen elektrisiert. Im Nu wird dann aus dem Chaos Ordnung, im 
Nu ist aller Wirrwarr verschwunden. Alles gliedert sich ein, das wundervolle 
System beginnt zu wirken. Mannschaft, Wagen und Proviant sind eingestellt, 
die Lokomotive kann ihren Pfiff ertönen lassen. Einsam liegt die 
vorher so geschäftige Station da, während der Zug mit 
seinen Kriegern hinausrollt, der großen neuen 
Arbeit, der neuen Bestimmung zu. 
ALLTAG BEIM KORPSSTAB. 
Die moderne Taktik hat mit ihren Grundsätzen der „Leere des Gefechts, 
feldes“ und der „Vervielfältigung der Ziele“, die ja durch die gewaltige Wirkung 
der heutigen Feuerwaffen notwendig geworden, alles Phantastische im Begriffe 
der Schlacht, allenWahn von ihrer Bildhaftigkeit, ihrer Szenengewalt gründlich und 
für immer zerstört. Der Krieg von heute hat sich vergeistigt, so sehr er in seinem 
innersten Wesen geblieben ist, was er schon im homerischen Zeitalter gewesen: 
Gewalt, also primitivste Rechtsform. Der Zweikampf Achills mit dem lanzem 
kundigen Troer wurde eben von Europas Völkerschaften vermillionenfacht an 
Zahl der waffenstarrenden Männer, an Wucht der Geschosse. Und Cäsarische 
Kriegskunst — Rom hat ja alles dogmatisiert — ist heute zur Wissenschaft 
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