Die Festlichkeit zu Ehren des Erzherzogs hatte delegierte Offiziere aus allen
Teilen des Korps zusammengeführt, die sich unendlich viel mitzuteilen wußten.
Bringt es doch die Art des modernen Stellungskrieges mit sich, daß die atv
schnittweise operierenden Truppen untereinander sehr selten in Berührung
kommen; so kämpfen Verwandte und Freunde oft Wochen^ und monatelang
nur in geringer Entfernung, ohne einander zu sehen. Erst der freudige Anlaß
rief auch von den entlegensten Stellungen einzelne augenblicklich Entbehrliche
für einen kurzen Tag, dem wieder schwere voll blutiger Arbeit folgen sollten,
hinter die Front. So bildeten sich nach Ablauf der offiziellen Feier viele Gruppen;
Freunde fanden einander, Bekannte trafen sich, der Familien ward gedacht,
Grüße aus der Ferne wurden ausgetauscht, Erlebnisse geschildert, Vermutungen
geäußert — aber durch alles zog ab und zu ein Wort oder Satz von der Heimat
wie ein dunkler, warmer Ton.
Nun trat der Armeekommandant Svetozar von Boroevid an die plaudernden
Gruppen heran. Sein verantwortungsvolles Amt bringt größte Isolierung und
strengste Einsamkeit mit sich; seinen Stab ausgenommen, der ihn in durchs
arbeiteten Tagen und Nächten fortwährend umgibt, sieht er sonst selten andere
Menschen bei sich. Jetzt aber begegnet er auf jedem Schritt Bekannten aus
seiner Agramer und Kaschauer Tätigkeit, mit denen ihn manche gemeinsame
Erinnerungen verbinden. Auch über Ereignisse im Bereiche der III. Armee gab
es genug zu berichten. In staunenswerter Weise zeigte sich der Armeekomman/
dant selbst über die geringsten Begebenheiten bei den einzelnen Truppenkörpern
unterrichtet und äußerte sich darüber in seiner freimütigen, gediegenen Art. Unser
Bild 45 stellt ihn uns dar, wie er sich in freundschaftlichster Unterhaltung mit
den beim Divisionär Generalmajor Freiherr von Nagy eingeteilten Oberste
brigadieren von Farkas und Reviczky, dem Obersten Pohl des 8. Honved'
artillerieregiments und dem Obersten Dubail des 21. Feldkanonenregiments
befindet. Vielleicht mögen in jener Unterredung bereits Andeutungen über ein
gar bald zu gewärtigendes Ereignis gefallen sein, das eine Woche später ganz
Europa in Aufregung versetzen sollte und das die III. Armee und in ihrem
Verbände besonders das VII. Korps des Erzherzogs Joseph durch zähes Fest'
halten der ihr zugewandten Russenfront wesentlich fördern half: den Durchbruch
von Gorlice nämlich, der bereits in diesen Tagen unter der bis dahin gewaltigsten
Artillerievorbereitung der Weltgeschichte begann.
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Der Armeekommandant verabschiedete sich von den Stabsoffizieren und be'
gab sich zu der delegierten Mannschaft, die, ihre Dekorationen auf der Brust,
unbeweglich seiner harrte. Nach einer kurzen patriotischen Ansprache schritt er
die Front ab, befahl jedem Mann in knappen Worten, die näheren Umstände
zu erzählen, durch die er seine Auszeichnung erworben hatte, lobte, feuerte an
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