1-4 D der FESSELBALLON.
R^orgengrauen in den Karpathen. Die Sonne ist winterlich träge, noch
ist sie nicht über die dunklen Waldgipfel der Berge emporgeklommen, nebliges
Gewölk dunstet aus der reifgrauen Tiefe in den fahlen Himmel empor. Nichts
rührt sich in der kalten Frühe, nirgends ist das Leben erwacht, noch schweigen
die Geschütze und der Krieg in der dämmerigen Landschaft. Aber schon
steigt ein Sonderbares aus der Tiefe nach oben, eine gelbe, länglich geballte,
riesige Wolke, steigt und steigt himmelan, bis sie, klein durch die Höhe,
wie ein fremdartiges Gestirn im Zenith des Tales steht. Es ist ein Fesselballon,
der seine Morgen Wanderung antritt (Bild 1). Weit geht sein Blick in die Runde,
um zu erspähen, was der Feind im Dunkel der Nacht vorbereitet hat, um alle
seine Veränderungen aufzuzeichnen und unseren Truppen zu übermitteln.
Patrouillen haben nachts zuvor eine möglichst geschützte Stelle ausgespäht,
von der dieser riesige Beobachter am besten aufsteigen könnte. Der Platz des
Aufstieges muß möglichst gesichert sein, denn der Feind weiß genau, wie ges
fährlich ein solcher Beobachter ist, und wird selbstverständlich, sobald er ihn zu
erreichen vermeint, gegen die dünne Hülle Stahl und Feuer von allen Seiten
schleudern. Die Hälfte des Erfolges im Kriege ist ja das Geheimnis, die Wahrung
des eigenen und die Erspähung des anderen. Plötzlich muß darum der FesseL
ballon aufsteigen, ehe der Feind Gelegenheit hat, ihn beim Aufstiege, da ihn
noch nicht die Höhe schützt, mit Schrapnellen zu zerfetzen; und jeden Tag muß
die Stelle des Aufstieges neu gewechselt werden, damit ein zielsicheres Bim
schießen des Gegners zur Unmöglichkeit wird. Diesmal ist der Fesselballon von
einem Hügel neben der Gemeinde Berzoka abgelassen worden. Bild 2 zeigt
den Rundblick über das ganze waldige Terrain, der sich von der Höhe bietet.
Der tiefe Talkessel brodelt noch von den Dünsten der Frühe, aber schon sind
die einzelnen Konturen sichtbar, die abgeschrägten Felder, Gehöfte, der Fluß
und die vielfach verzweigten Linien der Schützengräben. Links vorne im Bilde
der unregelmäßig weißflockige Streifen stellt die Linie unserer in Tätigkeit be^
findlichen Artillerie dar, die nach den telephonischen Anweisungen des FesseL
ballons ihr Feuer gegen den Feind eröffnet hat. Die weißen Flocken wiederum,
die wie Wattebauschen hoch oben in der Luft schwimmen, sind Schrapnelle
explosionen feindlicher Geschosse, die teils dem beobachtenden Ballon, teils
unserer Artillerie als Antwort gedacht sind. Von irgend einem versteckten Platz,
den der Beobachtungsoffizier sich müht zu erspähen, haben sie das Luftschiff
unter Feuer genommen und in wirrem Tanz taumeln die steigenden Geschosse
dem Ballon nach und suchen ihn feurig zu fassen; aber sie erreichen ihn nicht,
denn es ist äußerst schwierig, in diesen Höhen die Entfernungen richtig zu
schätzen. Würden sie aber näher herankommen und den Ballon ernstlich be'
drohen, so braucht der Offizier nur sein Zeichen zu geben und im Nu zieht die Be^
dienungsmannschaft unten den kostbaren Ballon, der nicht gefährdet werden darf,
herab, um ihn ein paar Stunden später an anderer Stelle wieder aufsteigen zu lassen.
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