Volltext: Der Kampf um Livland

Viertes Kapitel 
Das baltische Gebiet im russisch-deutschen Weltkampf 
Jenes Wort Peters des Großen auf dem Revaler Schloß in 
Betreff seines Versprechens an die Livländer: „Bei Gott, ich werde es 
halten!" — es hat im großen und ganzen bei den russischen Herrschern 
bis auf Kaiser Alexander II. in Kraft gestanden. Im einzelnen gab es 
verschiedentlich Angriffe und Abweichungen gegenüber den Zusagen 
des Nystädter Friedens, so unter der Kaiserin Katharina II. durch 
eine vorübergehend dekretierte Aufhebung der livländischen Verfassung, 
und am stärksten durch die betrügerisch-gewaltsamen Religionsbekeh 
rungen zur russischen Kirche unter Nikolaus I., denen ein kleiner Teil 
der Letten und Esten zum Opfer fiel. Im ganzen aber besaßen die 
baltischen Provinzen, wie das alte Ordensland jetzt genannt wurde, 
ihre zugesagte deutsche Art, deutsches Recht, deutsch-evangelische Kirche, 
deuffche Verwaltung, deutsche Schule und Hochschule, in den ent 
scheidenden Stücken wenig geschmälert bis zum Tode Alexanders II. 
Auch Kurland war nach einer Trennung von nicht ganz anderthalb 
Jahrhunderten mit dem Untergange Polens in der dritten polnischen 
Teilung wieder mit Livland und Estland vereint und unter das russische 
Szepter gekommen. Das kleine kurländische Herzogtum hat zeitweilig 
unter dem Enkel Gotthard Kettlers, Herzog Jakob, einem Schwager 
des Großen Kurfürsten, eine Geschichte gehabt, die wohl einiges Inter 
esse verdient; in dem größeren Zusammenhange aber, den diese Dar 
stellung verfolgt, ist die Episode des Herzogtums Kurland nur von 
geringer Bedeutung, und für das Ganze interessiert uns hier höchstens, 
daß nach der Annexion von 1795 die Geltung der livländischen Rechte 
durch Katharina II. von freien Stücken auch auf Kurland ausgedehnt 
wurde. 
Daß ein vollständiges Sonderdasein der drei Ostseegouvernements 
mit ihrem ganz und gar deutschen Kulturcharakter und ihrem deutschen 
Recht in Rußland auf Widerspruch stoßen würde, sobald sich dort 
ein bewußt russischer, dem Deutschtum speziell feindlich gestimmter 
Nationalismus erhob, war allerdings zu erwarten. Die Anfänge zu 
dieser Wendung zeigen sich schon unter Alexander II., doch kann es hier
	        
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