Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Eine neue Aede Poincar6s. 
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ein Grundprinzip des Staatslebens. Es ist eine 
allgemein bekannte Tatsache, daß in unserem 
Lande etwa 500.000 Türken leben, denen volle 
Glaubensfreiheit gewährt wird und die sich da 
her bei uns sehr glücklich und zufrieden fühlen. 
Die Türken Bulgariens sind ebenso gute bul 
garische Patrioten, wie die Bulgaren selbst. 
Genau dasselbe ist es mit den (luden Bulga 
riens. Sie erfreuen sich bei uns der vollstän 
digen Gleichberechtigung und nehmen an unserem 
politischen Leben den regsten Anteil. In allen 
großen Parteien des Landes sind Juden ver 
treten und wenn sie auch in keinem Wahlbezirk 
zahlreich genug sind, um einen eigenen Abgeord 
neten in die Sobranje zu schicken, so wird doch 
Sorge dafür getragen, daß sie wenigstens durch 
ein oder zwei Mitglieder in jeder Stadtverwal 
tung vertreten sind, wie z. B. in Sofia, wo 
immer mehrere Juden im Stadtrat sitzen. Das 
spricht doch deutlich dafür, wie hoch man in 
Bulgarien die Juden einschätzt. Wir haben nicht 
weniger als 5000 tapfere jüdische Soldaten im 
bulgarischen Heere, die Schulter an Schulter 
mit ihren bulgarischen Brüdern für den Sieg 
unserer Fahnen gefochten haben. 
Die dritte Frage, deren Lösung gegenwärtig 
eine der Pflichten der bulgarischen Politik bildet, 
ist die Auseinandersetzung mit Rumänien. Mit 
diesem Staate verbindet uns eine langjährige 
Freundschaft. Gerade Rumänien sind die Bul 
garen zu Dank verpflichtet. Schon zur Zeit, als 
wir noch unter dem Drucke der türkischen Herr 
schaft standen und in blutigen, aber leider frucht 
losen Aufständen uns von ihr zu befreien suchten, 
bildete Rumänien das Asyl, wo den flüchtigen 
Freiheitskämpfern Gastfreundschaft und Schutz 
gewährt wurde. Dann war es die rumänische 
Armee, die uns im Jahre 1877 durch ihre 
Tapferkeit die Türken besiegen half. Auch im 
Jahre 1685, wo wir Rord- und Südbulgarien 
vereinigten, waren es wieder die Rumänen, die 
uns, wenn auch nicht offen, so doch heimlich 
Dienste leisteten. Diesen Freundschaftsdienst haben 
wir Rumänien ebensowenig vergessen, wie vor 
hergehende. 
Wir Bulgaren sind dankbar und wir werden 
gewiß diese Gelegenheit nicht vorbeigehen lassen, 
uns für alle die Dienste, die Rumänien uns 
erwiesen hat, erkenntlich zu zeigen. Trotz des 
Geschreies, das vielleicht ein paar Chauvinisten 
auf beiden Seiten erheben, wird die Frage der 
Grenzberichtigung in einem friedlichen Sinne 
gelöst und die traditionelle Freundschaft zwischen 
den beiden Staaten keinen Moment gestört 
werden. 
Was nun das Verhältnis Bulgariens zu 
Österreich-Ungarn anbetrifft, so ist darüber das 
Folgende zu sagen: Es ist in den letzten Tagen 
gemeldet worden, Bulgarien werde sich offen dem 
Dreibund anschließen. Der Präsident der So 
branje Dr. Danew hat selbst dieses Gerücht 
dementiert. Allerdings hat dieser bulgarische 
Staatsmann jede Gelegenheit benützt, um die 
Freundschaft Bulgariens für die Donaumonarchie 
zu betonen und er hat damit sowohl der bul 
garischen Regierung als auch dem bulgarischen 
Volke aus dem Herzen gesprochen. Auch Öster 
reich-Ungarn gegenüber fühlt sich Bulgarien zum 
größten Danke verpflichtet, denn es weiß ganz 
genau, daß es an diesem Reiche einen ehrlichen 
und uneigennützigen Freund hat. (Dieses Zuge 
ständnis ist besonders interessant in einer Zeit, 
da die bulgarische Regierung der serbischen mit 
teilen ließ, sie sei bereit, zu einem Kriege gegen 
Österreich-Ungarn 200.000 Mann beizusteuern.) 
Diese Tatsache findet ihren beredtesten Ausdruck 
in den Handelsbeziehungen der beiden Länder. 
Obwohl wir mit Österreich-Ungarn noch keinen 
Handelsvertrag haben, da das ungarische Parla 
ment den im Entwurf bereits vorliegenden noch 
nicht angenommen hat, so führen wir doch auf 
Grund der Meistbegünstigungsklausel siebenmal 
mehr aus Österreich-Ungarn ein als aus Ruß 
land, das uns mindestens ebenso nahe ist. Also 
aus freien Stücken, vielleicht auch deshalb, weil 
unsere Geschmacksrichtungen so sehr nach Öster 
reich-Ungarn neigen, unterhalten wir so aus 
gezeichnete Handelsbeziehungen und gedenken 
diese auch weiterhin zu pflegen. 
Und das weiß man ja auch in Österreich- 
Ungarn sehr genau, daß die besten und dauer 
haftesten Freundschaften diejenigen sind, die sich 
vor allem auf die reale Basis gesunder und ent 
wicklungsfähiger ökonomischer Interessen gründen. 
Soweit die bulgarisch - offiziösen Ausfüh 
rungen.
	        
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