Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Die Friedenskonferenz. 
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nach der alphabetischen Ordnung der Ramen 
der beteiligten Staaten abwechselnd geführt 
werden soll, führte der Präsident der bulgari 
schen Sobranje, Dr. Danew, in der heutigen 
Sitzung den Vorsitz. 
Den ersten Punkt der Tagesordnung bildete 
der formelle Austausch der Vollmachten der 
Delegierten. Man kam über diesen Punkt nicht 
hinaus,- aus dem genannten Grunde muhte die 
Vertagung auf Donnerstag erfolgen. 
Die türkischen Delegierten erklärten, sie 
mühten sich erst mit ihrer Regierung ins Ein 
vernehmen setzen, da ihre Instruktionen ihnen 
nur gestatten, mit den Delegierten der drei Bal 
kanstaaten, die bereits den Waffenstillstand 
unterzeichnet haben, in Verhandlungen einzu- 
treten. 
Die türkischen Delegierten verliehen gegen 
1 Uhr nachmittags den St. Jamespalast, wäh 
rend die übrigen im Palast verblieben, um dort 
zu frühstücken. 
Offiziell wurde bekannt gegeben, die türki 
schen Delegierten hätten erklärt, die ottomanische 
Regierung sei nicht offiziell in Kenntnis gesetzt 
worden, dah Griechenland an den Verhand 
lungen teilzunehmen gedenke. Erst bei der heu 
tigen Konferenz seien die Intentionen der 
griechischen Regierung offiziell bekannt gewor 
den. Die ottomanischen Delegierten erklärten 
aber, sie hätten absolut nicht die Absicht, die 
Verhandlungen zu verzögern. 
Die türkischen Delegierten hatten übrigens 
den Vorschlag gemacht, bis ihre Instruktionen 
in bezug auf Griechenland eingetroffen seien, 
möchten ihnen die von den Verbündeten auf 
zustellenden Friedensbedingungen mitgeteilt wer 
den. Die Delegierten der Verbündeten gaben 
indes die Antwort, dies sei nutzlos, da über 
haupt keine Verhandlungen stattfinden könnten, 
wenn die Türkei nicht in der Lage sei, mit 
allen vier Staaten zu verhandeln. 
Am 18. Dezember 1912 lag folgende Lon 
doner Meldung vor: 
Selbst in dem Falle, dah die Türkei die 
Vollmacht ihrer Delegierten dahin ergänzt, dah 
sie auch mit Griechenland verhandeln können, 
könnte das neue Dokument kaum vor Ende der 
Woche hier sein. Wohl aber könnte morgen 
bereits eine telegraphische Zustimmung der 
Pforte vorliegen, die provisorisch bis zum Ein 
treffen des Dokuments als Ersatz dafür akzep 
tiert werden würde. Man muh aber damit rech 
nen, dah die Pforte auf ihrem Standpunkt be- 
harrt. Anderseits sind die Alliierten darin einig, 
ohne Griechenland nicht verhandeln zu wollen. 
Dies wird es vielleicht für Griechenland mög 
lich machen, zu erklären, dah es mit Rücksicht 
auf seine Alliierten bereit sei, seinen Stand 
punkt zu modifizieren, wenigstens so weit, dah 
Baltantrleg. H. 
es dem Waffenstillstand mit Ausnahme der 
Weiterführung der Blockade der türkischen Küsten 
beitritt. Griechenland würde damit nicht den 
Türken, sondern den eigenen Alliierten nach 
geben. 
Gestern, den 17. Dezember, als sich die 
Schwierigkeit ergab, wurde der Antrag Reschid 
Paschas, vorläufig bis zum Eintreffen weiterer 
Instruktionen unter Ausschluh Griechenlands zu 
verhandeln, einstimmig abgelehnt. Die Delegierten 
Rovakovic und Dr. Danew sprachen dagegen, ob 
wohl Reschid Pascha auf die Rotwendigkeit ver 
wies, jeden Zeitverlust zu vermeiden; es werde 
ohnehin vielleicht eine Verzögerung eintreten, im 
Falle die Forderungen der Alliierten derart sein 
sollten, dah die türkischen Delegierten sie nach 
ihren Instruktionen nicht akzeptieren könnten 
und neue Instruktionen verlangen mühten. Daher 
möchten Bulgarien, Montenegro und Serbien 
gleich ihre Forderungen formulieren. 
Reschid Pascha drang damit nicht durch, und 
die Balkandelegierten erklärten sich solidarisch. 
Dr. Danew erzählte nach der Sitzung vom 
17. Dezember >912 einem Journalisten: 
Ich habe bis heute nicht zugeben wollen, 
dah ein Rih in den Beziehungen des Balkan 
bundes besteht, und ich möchte es auch jetzt 
noch nicht zugeben, deshalb ist Griechenland 
mit in der Friedensverhandlung und deshalb 
werden wir Mittel und Wege finden, die Frage 
der Unterschrift auszugleichen. 
Dr. Danew erklärte weiter, Griechenland 
werde wahrscheinlich den Waffenstillstand nach 
träglich unterzeichnen. Die Frage dürfte jeden 
falls gütlich beigelegt werden, vorausgesetzt, dah 
die Türken damit nicht eine Verschleppungs 
taktik verfolgen. Wir können das noch nicht 
sagen, werden es aber bald wissen. Ich persön 
lich glaube nicht, dah das ihre Absicht ist. Alle 
Bedingungen werden der Türkei morgen nach 
mittags sofort nach Eröffnung der Sitzung gleich 
zeitig vorgelegt werden. 
Der Korrespondent fragte, ob Bulgarien noch 
auf der Herausgabe von Adrianopel bestünde. 
Dr. Danew gab eine ausweichende Antwort. 
Einem anderen Interviewer erklärte Dr. Danew 
auf die Frage, was die Balkanverbündeten zu 
tun gedächten, wenn die türkischen Delegierten 
mit Griechenland nicht verhandeln wollten: 
Mir haben den Krieg gemeinschaftlich ge 
führt und werden gemeinschaftlich den Frieden 
schlichen. Wenn die Türken auf ihrer Weige 
rung beharren, dann werden wir uns bei Tscha- 
taldscha wiedersehen; aber ich glaube, dah die 
türkische Regierung die ihren Delegierten er 
teilten Weisungen abändern wird. 
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