Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Die Aufnahme des Programms für die Aeunion. 
ein Entgegenkommen, das sich sogar so weit 
erstreckt, das) selbst die Benützung eines dalma 
tinischen Hafens für den serbischen Handel von 
Österreich-Ungarn als diskutabel erklärt wurde. 
Aach dieser Richtung werden also die serbischen 
Wünsche bei Österreich-Ungarn nicht nur keinen 
Widerstand, sondern sogar das weitestgehende 
Entgegenkommen finden, ein Beweis dafür, wie 
wenig berechtigt die von serbischer Seite immer 
wieder erhobenen Vorwürfe sind, das) Österreich- 
Ungarn Serbien wirtschaftlich erdrosseln und vom 
Meere absperren will- 
Die Teilnahme an der Reunion. 
Man wartete also auf den Zusammentritt 
der Botschafterreunion in London, von der man 
sich für die Erhaltung des europäischen Friedens 
Gutes versprach. Uber die Persönlichkeiten der 
Teilnehmer an der Reunion wurde wenige Tage 
vor dem Zusammentritt geschrieben: 
Sir Edward Grey. 
Der britische Minister des Äußern ist eine 
scharf ausgeprägte, politisch außerordentlich mar 
kante Persönlichkeit. Der knapp Fünfzigjährige 
leitet seit dem Jahre 1905 die auswärtige 
Politik Englands; er war, noch nicht IO Jahre 
alt, bereits Unterstaatssekretär unter Gladstone 
im Londoner Auswärtigen Amte. Sir Edward 
Grey war einer der eifrigsten Initiatoren der 
Tripelentente,- die Anregung zu der Botschafter 
reunion ist von ihm ausgegangen und er wird 
ihr auch präsidieren. Seine kühle, jeder gefühls 
mäßigen Regung fremde Art hat der englischen 
Politik der letzten Jahre ihren Stempel aus 
gedrückt und wird voraussichtlich auch die un 
verbindlichen Verhandlungen in starkem Maße 
beeinflussen. 
Botschafter Graf Mensdorff-Pouilly. 
Als Vertreter Österreich-Ungarns wird der 
Botschafter der Monarchie, Graf Mensdorff 
fungieren. Graf Mensdorff, ein Mann von 
kaum 50 Jahren, Sohn des bekannten ver 
storbenen Ministers des Äußern und mit dem 
englischen Königshause verwandt, ist 1906 nach 
dem Abgang des Grafen Deym vom ersten 
Botschaftsrat zum Botschafter vorgerückt. Seine 
Beziehungen zum englischen Hof sind sehr eng; 
er war viel mit König Eduard zusammen und 
cum 
befand sich erst dieser Tage mit dem Königs 
paar beim Herzog von Portland. 
Botschafter Fürst Lichnowsky. 
Der deutsche Botschafter Fürst Lichnowsky, 
der erst seit kurzer Zeit, seit dem überraschenden 
Ableben des Freiherrn v. Marschall, das Deutsche 
Reich in London vertritt, ist 5O Jahre alt, in 
Österreich und Preußisch-Schlesien begütert, Mit 
glied des preußischen Herrenhauses und persons 
grate bei Kaiser Wilhelm. Er war viele Jahre 
unter Eulenburg in Wien Botschaftsrat und besitzt 
dort viele Freunde. Seine Beziehungen zur öster 
reichischen Aristokratie sind sehr eng. Fürst Lich 
nowsky hat seine Tätigkeit in London mit einer 
bemerkenswerten Rede begonnen, in der er für 
ein gutes Verhältnis zwischen den beiden Mächten 
eintrat. 
Botschafter Graf Benkendorff. 
Der Vertreter Rußlands in London und 
bei der Botschafterkonferenz ist Graf Benken 
dorff. Der russische Diplomat, der ein Alter von 
etwa 60 Jahren erreicht hat, ist ein Cousin des 
Botschafters Fürsten Lichnowsky — ihre Mütter 
waren Prinzessinnen Croy — und ein entfernter 
Verwandter des österreichisch-ungarischen Bot 
schafters Grafen Mensdorff. Er war lange Jahre 
Botschafter in Wien und gilt als ruhiger, ziel 
bewußter Diplomat. 
Botschafter Marquis Imperiali. 
Italiens Vertreter, Marquis Imperiali, war, 
ehe er nach London kam, Botschafter in Kon 
stantinopel. Er ist in London Rachfolger des 
Marchese di San Giuliano, des heutigen Staats 
sekretärs des Äußern, der von der britischen 
Hauptstadt nach Paris ging. Man hält ihn für 
einen sehr befähigten Diplomaten. 
Botschafter Paul Eambon. 
Der Vertreter der französischen Republik, 
Paul Eambon, gilt nicht nur als einer der be 
deutendsten französischen Diplomaten der Gegen 
wart, sondern mit seinem Bruder, dem Berliner 
Botschafter Jules Eambon, als einer der hervor 
ragendsten ganz Europas. Er hat sehr wesent 
lich an dem Zustandekommen der Tripelentente 
mitgearbeitet. Er vertrat, ehe er nach London 
gesandt wurde, die Republik in Washington.
	        
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