Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Die Ausnahme des Programms für die Reunion. 
na 
nicht unterbrochen worden und hat sehr viel zur 
Vorbereitung der Botschafterreunion beigetragen. 
Jede der Signatarmächte ist in irgendeiner Be 
ziehung, sei es politisch oder wirtschaftlich, an 
der Regelung der Balkanfragen interessiert und 
es ist noch aus der letzten Rede poincares er 
innerlich, wie lang die Liste jener Fragen ist, 
die der französische Ministerpräsident als in den 
Interessenkreis Frankreichs fallend angeführt hat. 
Für Österreich-Ungarn kommen hauptsächlich 
zwei Fragen in Betracht: die Reutralität Alba 
niens, die unter den Schuh der Mächte gestellt 
werden soll, und die serbische Hafenfrage. Was 
die letztere betrifft, so hat Österreich-Ungarn von 
Anfang an erklärt, das) es den Serben in wirt 
schaftlicher Beziehung den Ausgang an die 
Adria keineswegs verwehren will und das) es 
nur gegen einen territorialen Besitzstand Ser 
biens an der Adria Verwahrung einlegt. 
Der österreichisch-ungarische Standpunkt in der 
Hafenfrage ist also, das) Serbien in handels 
politischer Beziehung die Benützung eines Hafens 
an der Adria eingeräumt werden kann, ebenso 
die Benützung eines zu diesem Hafen führenden 
Verkehrsweges, das) jedoch ein territorialer 
Besitzstand Serbiens sowohl bezüglich des 
Hafens, als auch bezüglich des Zuganges aus 
geschlossen ist. 
Die Besprechungen der Botschafter in Lon 
don werden ergeben, wie sich die einzelnen 
Mächte zu diesem Standpunkt Österreich-Ungarns 
stellen. Vollkommen sicher ist, das) die. Drei 
bundmächte in dieser Beziehung ganz solidarisch 
vorgehen. Rach der bisherigen Haltung der 
Mächte läßt sich mit größter Wahrscheinlichkeit 
annehmen, das) der Standpunkt Österreich-Un 
garns in diesen beiden Fragen auch von den 
übrigen Mächten geteilt wird. 
Am 14. Dezember wurde aus der gleichen 
Quelle mitgeteilt: 
Der Beginn der Londoner Botschafterreunion 
wird ein wichtiges Stadium für die Regelung 
der Balkanangelegenheiten bedeuten. Wie von 
unterrichteter Seite ausdrücklich betont wird, ist 
die Idee der Botschafterreunion in Österreich- 
Ungarn von Anfang an mit Sympathie auf 
genommen worden, wie ja die Politik der 
Monarchie seit Beginn der Balkankrise jede 
Aktion willkommen geheißen hat, die der fried 
lichen Durchsetzung unseres auf ein Minimum 
reduzierten Balkaninteressenkreises förderlich sein 
konnte. Österreich-Ungarn blickt mit Zuversicht 
nach London. Im Laufe der bisherigen diplo 
matischen Konversationen haben alle Mächte 
unseren Forderungen volles Verständnis ent 
gegengebracht, unsere Beziehungen zu allen 
Mächten sind im gegenwärtigen Moment gute 
und vertrauensvolle und schon das Milieu, in 
welchem die Botschafterreunion stattfindet, recht 
fertigt die Zuversicht, da gerade England dem 
Standpunkt der Monarchie vom Anfang an 
volles Verständnis entgegenbrachte und die 
öffentliche Meinung Englands die einzelnen 
Phasen der Balkankrise mit der größten Objek 
tivität gegenüber den Interessen Österreich-Un 
garns besprochen hat. Österreich-Ungarn wünscht 
auch aufrichtig einen guten und günstigen Ver 
lauf der Reunion, um so mehr als die maß 
gebenden Stellen hier nicht nur eine Klärung 
der mit der Balkankrise zusammenhängenden 
Fragen, sondern auch Ergebnisse von bleibendem 
Werte für das Verhältnis der Großmächte 
untereinander erwarten, was um so eher möglich 
ist, als niemals zuvor zwischen den Dreibund 
mächten und den Ententemächten weniger Gegen 
sätze bestanden, als gerade im gegenwärtigen 
Moment. 
Angesichts dieser Umstände ist eine gewisse 
pessimistische Beurteilung der Situation in man 
chen Kreisen des Auslandes nicht recht ver 
ständlich. Vielleicht ist diese Beurteilung auf die 
zahlreichen Gerüchte zurückzuführen, die in so 
nervösen Zeiten immer aufflattern und die ins 
besondere im Zusammenhang mit der Affäre 
des Konsuls prochaska in besonders großer 
Anzahl verbreitet wurden. Diese Gerüchte sind 
glücklicherweise vollkommen unbegründet. Im 
großen und ganzen weist vielmehr heute die 
Situation eine Besserung auf. Das geht indirekt 
schon daraus hervor, daß die gesamte Presse der 
Dreibundmächte einen ruhigen und gemessenen 
Ton anschlägt und an die in London zusammen 
tretende Botschafterreunion die Hoffnung knüpft, 
daß es gelingen werde, die Lösung aller mit 
der Balkankrise zusammenhängenden Fragen in 
befriedigender Meise einzuleiten. An dieser Be 
urteilung der Situation vermag es wenig zu 
ändern, wenn speziell in der französischen Presse 
gerade in den letzten Tagen eine auffallende 
Unfreundlichkeit gegenüber Österreich-Ungarn be 
merkt worden ist. Man ist an allen informierten 
Stellen davon überzeugt, daß die französische 
Regierung, gleich den Kabinetten der übrigen 
europäischen Mächte, heute ebenso wie am 
Anfang der Krise das aufrichtige Bestreben 
hat, einen europäischen Konflikt zu vermeiden. 
Die Anregung des Dreibundes, Albanien 
unter dem Schutz der europäischen Mächte neu 
tral zu erklären, ist nunmehr auch von den En 
tentemächten akzeptiert worden. In diesem Punkte 
sind also sämtliche Mächte einig und die Bot 
schafterreunion würde nur der Ort sein, wo diese 
Übereinstimmung der Mächte auch offiziell aus 
gesprochen wird. Bei diesem Anlasse müßte aber, 
wie in unterrichteten Kreisen hervorgehoben wird, 
auch der Begriff Albanien definiert werden, eine 
Rotwendigkeit, die sich aus den geänderten Ver 
hältnissen auf dem Balkan von selbst ergibt.
	        
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