Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Eindringen der Albanesen in neuserbisches Gebiet. 
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gewehre, die serbische Artillerie zu sprechen be 
gannen, konnten die Söhne der albanesischen 
Berge, die nichts hatten als ihre Gewehre, un 
möglich standhalten. Vorerst aber waren die 
Albanesen noch im Vordringen. So besagte eine 
Meldung vom 25. September: 
Die Albanesen befinden sich in Dibra im 
Vorrücken. Sie nahmen Mavrovo und Galicnik 
ein. Die noch minderzähligen serbischen Truppen 
ziehen sich kämpfend zurück. Starke Albanesen 
abteilungen dringen von Llbassan gegen Ochrida- 
Monastir vor. Der vorgestrige Angriff gegen 
Djakova wurde zurückgewiesen. 
Die serbische Regierung richtete an ihre 
Vertreter im Auslande eine Rote, in welcher 
sie darauf hinwies, daß nach Abschluß der Demo 
bilisierung an der serbisch-albanesischen Grenze 
nur zwei Regimenter mit Friedensständen, also 
im ganzen etwa 2000 Mann, zurückgeblieben 
seien, die über eine Front von mehr als 300 
Kilometer verteilt waren. In den letzten Tagen 
hätten nun 10.000 Albanesen serbisches Gebiet 
angegriffen und seien in mehrere Ortschaften 
eingedrungen. Dieser albanesische Einfall und 
der Marsch in serbisches Gebiet seien dadurch 
erleichtert, daß die wenigen serbischen Truppen 
über Aufforderung der Großmächte von den 
strategischen Positionen an der Grenze und aus 
albanesischem Gebiet zurückgezogen worden seien. 
Um das Gebiet Serbiens und seine Würde ?u 
schützen, habe die serbische Regierung die Mo 
bilisierung eines Teiles der Armee angeordnet, 
deren Aufgabe es sein werde, die Angreifer zu 
unterwerfen und dauernd Frieden und Ordnung 
an der Grenze zu sichern. 
Die Albanesen konnten keine Voten an die 
Mächte richten, jedoch wurden jetzt von alba- 
nesischer Seite Berichte über das Verhalten der 
Serben in den Grenzgebieten veröffentlicht, die 
Zeugnis gaben von den furchtbaren Verbrechen, 
die an diesem Volke verübt wurden. Wir haben 
die Albanesen, die in vielen Publikationen vor 
dem Kriege übertrieben edel und großmütig und 
treu geschildert wurden, im Verlaufe dieses 
Krieges kennen gelernt und Europa hat nicht 
mehr ganz die gute Meinung, die es früher 
von den Skipetaren hatte. Treulosigkeit gegen 
die Türken, Erbarmungslosigkeit gegen die ge 
schlagenen Armeen, die sich in Albanien lang 
sam, zu Tode hungerten, fortwährende Streitig 
keiten untereinander hatten den moralischen 
Kredit dieses Volkes etwas zu stark in An 
spruch genommen. Es muß aber betont werden, 
daß die Albanesen, die in Reuserbien einfielen, 
sich keine Greuel zuschulden kommen ließen. 
Daß den serbischen Soldaten kein Pardon ge 
geben wurde, das versteht sich von selbst. Aus 
schreitungen gegen die Bevölkerung, auch dort, 
wo sich bereits serbische Elemente unter die 
Albanesen mischten, sind nicht vorgekommen; 
auch die serbischen Berichte wußten nichts von 
Plünderungen und Mordbrennereien zu be 
richten. 
Gegen Ende September gingen die mobili 
sierten serbischen Truppen gegen die Albanesen 
vor. Die undisziplinierten albanesischen Banden, 
die unter keiner einheitlichen Leitung standen, 
konnten den Serben selbstverständlich nicht stand 
halten. In verhältnismäßig kurzer Frist wurden 
sie aus dem neuserbischen Gebiet wieder hinaus 
geworfen; die Kämpfe waren furchtbar und die 
Verluste der Albanesen entsetzlich. 
Am 30. September zog die serbische Armee 
in Dibra und Ochrida ein. Die Maschinen 
gewehre räumten unter den Albanesen furchtbar 
auf und in kurzer Frist war das südwestliche 
Gebiet um Ochrida und Struga von den Alba 
nesen nahezu vollständig gesäubert. Dagegen 
war die Situation im Ljumagebiete für die 
Serben vorerst noch ungünstig. Aber auch hier 
konnten die Albanesen dem Vordringen der 
serbischen Truppen nicht lange widerstehen. 
Ein Appell der albanesischen Regierung 
an die Mächte. 
Als die albanesische Bewegung bereits im 
Riederbrechen war, am 1. Oktober, richtete der 
Präsident der provisorischen Regierung an die 
Großmächte folgende telegraphische Rote: 
10 Monate sind vergangen, seit das alba 
nesische Volk seine Unabhängigkeit proklamiert 
hat und 9 Monate sind verflossen, seit Europa 
in seiner hohen Gerechtigkeit es gewürdigt hat, 
sein Recht, in Freiheit zu leben, anzuerkennen. 
In dem seither verflossenen Zeitraum haben zwei 
Kriege ihr Ende gefunden, und alle anderen 
Völker, die sich in die Ereignisse eingemengt 
haben, sind befriedigt worden. Allein das alba 
nesische Volk, das als erstes den Kampf für 
seine Unabhängigkeit eröffnete und das immer 
Beweise seines aufrichtigen Wunsches, mit 
seinen Rachbarn brüderlich zu leben, gegeben 
hat, wurde in der quälendsten Ungewißheit über 
das Schicksal gelassen, das es erwartet. Es 
weiß noch immer nicht, wie viel von seinem 
Land ihm bleiben und unter welchen Bedin 
gungen seine politische Existenz sich entwickeln 
wird. Verfolgt von allen Seiten, von den 
Siegern wie auch von den Besiegten, hat dieses 
unglückliche Volk sich in sein unermeßliches 
Elend ergeben, gestützt und getröstet von der 
Hoffnung, daß die Großmächte ihm ihre Ge 
rechtigkeit nicht verweigern werden. 
In dem südlichen Gebiete machen die Alba 
nesen, die unter der griechischen Okkupation 
leben, alle Anstrengungen, um mutig alle 
Leiden zu ertragen, denen sie ausgesetzt sind.
	        
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