Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Die Schrecken des zweiten Krieges. 
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eine mit großem Beifall aufgenommene Rede; 
die Versammlung beschloß an die Hauptstädte 
Europas und Amerikas Protestkundgebungen M 
senden. 
Die Griechen hatten, auch wenn diese Be 
richte keineswegs an sich alhusehr übertrieben 
waren, nicht viel Grund, sich über die Bulgaren 
)u beschweren. Sie haben Melnik dem Erdboden 
gleichgemacht und ihre Truppen und Banden 
haben gegen die bulgarischen Mazedonier nicht 
weniger furchtbar gehaust, als die Bulgaren 
gegen die Griechen. 
In dieser Richtung ist nicht uninteressant, 
was Dr. Philipp Manoloff-Serres in der 
„Frankfurter Zeitung" schreibt. Er sagt: 
Der zweite Balkankrieg war die unaus 
bleibliche Folge einer Reihe von Versäumnissen 
Bulgariens gegen sich selbst, gegen seine eigenen 
Interessen. Bulgarien hätte nicht seine ganze 
Armee auf thrazisches Gebiet gegen Tschatal- 
dscha und Bulair konzentrieren, sondern das 
Innere Makedoniens selbst, den vertragsmäßig 
ihm zukommenden Teil dieses Gebietes besetzen 
sollen. Dann hätte es nicht die 7. Division, 
welche das Vardar- und Strumatal von türki 
schen Truppen säuberte und besetzte, ebenso 
Saloniki von Rorden und Osten her umzingelte 
und zusammen mit der griechischen Armee in 
die Stadt einbog, gleich darauf nach Bulair 
übersehen und das eroberte Gebiet ohne ge 
nügende Besatzung lassen dürfen. Diesen großen 
Fehler Bulgariens haben Griechen und Serben 
sogleich, noch im Rovember vorigen Jahres, 
geschickt ausgenützt. Sobald sich die 7. Division 
verbog, begannen griechische und serbische De 
tachements der von Bulgarien okkupierten Ort 
schaften und Städte sich zu bemächtigen. Diese 
geräuschlose Invasion in bulgarischen Gebiets 
teilen war das erste greifbare Zeugnis davon, 
wie es um die Bündnistreue der Verbündeten 
Bulgariens stand. Die Griechen besonders sind 
in dieser Hinsicht systematisch vorgegangen. Als 
Augenzeuge möchte ich aus den vielen Vor 
fällen nur zwei hervorheben. 
Das Gebiet von der alten Grenze Bul 
gariens bis Saloniki, rechts vom Vardar und 
links vom Agäischen Meer begrenzt, wurde 
anfänglich von bulgarischen Truppen beseht und 
rs wurden überall bulgarische Iivilbehörden 
eingesetzt. Es war also bulgarisches „Terri 
torium" und mußte eigentlich für die Ver 
bündeten unantastbar sein. So dachte man in 
Bulgarien und begnügte sich damit, ein ganz 
kleines Kontingent alter Reservisten (letztes 
Aufgebot der Landwehr) als Okkupations 
armee zurückzulassen. Es dachte das bulgarische 
Hauptquartier nicht im entferntesten daran, die 
neue vorläufige Grenze mit genügender Be 
satzung zu versehen. Sobald sich nun aber die 
Griechen in Saloniki festgesetzt hatten, begannen 
sie den Vormarsch auf Serres und Kavalla, 
also auf Städte, die von den Bulgaren beseht 
waren. In Serres erschien das 3. griechische 
Kavallerieregiment. Die bulgarischen Militär- 
und Iivilbehörden der Stadt empfingen es mit 
großen Ehren und behandelten es als will 
kommene Gäste. Gleichzeitig geschah die Be 
setzung von Rigrita und pravischte durch grie 
chische Truppen, welche die kleinen bulgarischen 
Besatzungen daselbst heimtückisch überfielen und 
niedermetzelten. In Rigrita war es so, daß das 
bulgarische Detachement sich bei dem llberfall 
in der Küche beim Essen befand. Bulgarien 
protestierte; Venizelos antwortete, daß er die 
Schuldigen bestrafen lassen werde. Das griechi 
sche Oberkommando dachte aber anders, es 
wiederholte die Vorfälle von Rigrita und pra- 
vischte, es reizte die Bevölkerung zur Unbot 
mäßigkeit auf und konzentrierte nach dem Fall 
von Ianina in Rigrita und pravischte 3 Di 
visionen. Ein Vorstoß der Griechen, um die 
Bahnlinie bei Anghista abzuschneiden, kostete 
ihnen 500 Tote und doppelt mehr Ver 
wundete. 
Die Schikanen der Griechen dauerten fort 
und mußten mit Rotwendigkeit ?u dem „Bruder 
krieg" führen. Dabei muß ich noch bemerken, 
daß die griechischen Soldaten in Serres bis 
Ende Mai blieben und nach dem Vorfall von 
Anghista auf eigenen Wunsch das freie Geleit 
bis zur griechischen Grenze bekamen. Aber wie 
ganz anders verfuhren die Griechen mit der 
bulgarischen Besatzung in Saloniki und sogar 
mit den bulgarischen Iivilbehörden daselbst. Wer 
von ihnen in der Salonikier Bartholomäusnacht 
nicht ums Leben gekommen war, siecht dahin 
auf irgendeiner verlassenen griechischen Insel, 
dem Hungertod oder der Eholeragefahr preis 
gegeben. Aber von dieser Tat des edlen griechi 
schen Volkes erfuhr die Welt wenig. Daß da 
bei Schulmädchen und Gymnasiasten, welche 
sich noch in den bulgarischen Internaten be 
fanden (das Schuljahr war eben abgeschlossen 
und nicht alle Schüler und Lehrer waren ab 
gereist) auch ums Leben gekommen sind, hat 
man in Europa, weil eben Bulgarien von der 
Welt abgeschnitten war, nicht erfahren können. 
Ebensowenig, daß am 3. und 4. Juli die 
griechische Armee Kilkisch und Dojran, zwei 
rein bulgarische Städte, mit allen umliegenden 
Dörfern zerstörte und die Bevölkerung, so weit 
sie nicht geflüchtet war, niedermetzelte. Diese 
Dinge sind aber erst nach dem Kriege von den 
Vorstehern der Missionen, die auch nicht ver 
schont worden sind, in der Zeitung „La Croix" 
beschrieben worden, und zwar so wahrheits
	        
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