Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Die Schrecken des zweiten Krieges. 
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OG 
Wut und Nachgier entflammten Bulgaren aber 
gibt eine Episode aus der Tragödie von Serres 
ein bezeichnendes Bild: 
Es ist die Geschichte von den 200 Geretteten 
von Serres, die nur dem listigen Einfall eines 
Sprachlehrers und dem Aberglauben der Bul 
garen ihre Kettung verdankten. Aach den ersten 
Niederlagen der Bulgaren und den griechischen 
Siegen räumte die bulgarische Besatzung am 
4. und 5. buli die Stadt, und die griechischen 
und mohammedanischen Bewohner bildeten eine 
Art Miliz, um die Stadt vor den Angriffen 
der Komitatschis zu schützen. Aber am )0. Juli 
erhielten diese Banden unerwartete Hilfe bul 
garischer Soldaten und Geschütze und zogen 
wieder in die unglückliche Stadt ein. Der Kriegs- 
korrespondcnt des „Daily Telegraph", der die 
Als der Gefangene einen Laib Brot fand und 
ihn aufhob, erklärte sein Wächter lachend: „In 
10 Minuten bist du doch eine Leiche, warum 
noch schönes Brot verschwenden." Durch einige 
List gelang es dem Lehrer, in die Aähe des 
österreichischen Konsulats zu kommen, die Tür 
stand offen, mit einem Sprunge entfloh er seiner 
Eskorte. Aber im Innern des Konsulatsgebäudes 
waren bereits bulgarische Soldaten, deren Offi 
zier dem Konsul befahl, ihnen zu folgen. Der 
Konsul, der seine Abzeichen und Orden ange 
legt hatte, weigerte sich, bis man ihn überzeugte, 
daß das Haus in wenigen Minuten Feuer 
fangen müßte. Aus dem Innern des Hofes 
führte man einen traurigen Zug von 200 Kin 
dern, Mädchen und Frauen heraus, darunter 
auch 10 oder 12 Männer; sie alle hatten ver- 
Eingeäscherte Häuser in Knjazewac. 
Auinen von Serres besucht hat, sprach mit jenem 
Lehrer, der zu den 200 Geretteten gehört. Der 
Mann hatte sich am Abend schlafen gelegt und 
war von den Aufregungen der letzten Tage so 
erschöpft, das) er erst am Freitag morgens durch 
Lärm an seiner Zimmertür geweckt wurde. Als 
er sich aufrichtete, sah er bulgarische Soldaten 
und Komitatschis in das Zimmer dringen. Sie 
forderten ihn auf, unbekleidet auf die Straße 
zu gehen, aber der Lehrer, der davon überzeugt 
war, daß sein Schicksal ohnehin besiegelt sei, 
weigerte sich. „Wenn ihr mich ermorden wollt, 
so tut es hier, aber unbekleidet verlasse ich nicht 
das Haus." Unter Bewachung mußte er sich 
anziehen. Als er die Straße betrat, stand die 
ganze Stadt in Flammen, die Läden waren 
geplündert, überall lagen die Waren umher und 
auf dem Straßenpflaster türmten sich die Leichen. 
geblich unter den Schwingen des österreichischen 
Doppeladlers Schutz gesucht. Soldaten mit aus 
gepflanzten Seitengewehren führten unter der 
Leitung eines Sergeanten die hilflose Schar 
durch die brennende Stadt zu den Bergen. Unter 
den wüstesten Drohungen und Beschimpfungen 
trieb man die Wehrlosen unter der glühenden 
Sonne die steilen Berghänge hinauf, und die 
Sieger machten sich ein Vergnügen daraus, 
ihren Opfern die grausamen Martern, die ihrer 
harrten, auszumalen. Am Aachmittag überholte 
ein Zug bulgarischer Flüchtlinge den Zug. Ein 
bulgarischer Stabsoffizier, den der Sprachlehrer 
gut kannte, ritt vorüber, aber die Bitte um Hilfe 
war vergeblich, der Offizier erklärte, das sei nicht 
seine Sache und ritt weiter. Gegen Abend 
dämmerung erreichte man ein Bergplateau und 
hier wurde Halt gemacht. Der Sergeant befahl 
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