Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Die Schrecken des zweiten Krieges. 
573 
□□ 
auf die lauten Ratschläge der Mächte nicht; die 
paar Hunderttausend Mann ihrer Heere, die 
arbeiteten, waren stärker, als die Millionen der 
Heere der Großstaaten, die nicht arbeiteten. Der 
Krieg ging weiter, die Geister, die gerufen waren, 
ließen sich nicht mehr bannen. Und auch wäh 
rend des Krieges leuchtete mit stechender Flamme 
über Bulgarien der Unstern. MitUmsicht gingen die 
Griechen vor und warfen die geringen bulgarischen 
Kräfte zurück. Zu dieser Zeit war die bei Widdin 
stehende 1. bulgarische Armee unter General 
Kutintschew in Serbien eingedrungen, sie hatte 
Knjazevac genommen und drohte, die rückwärti 
gen Verbindungen der Serben zu unterbrechen, 
näherte sich Risch und Bela palanka. Kräftig 
verfolgt, hätte dieser Plan gelingen können. 
Abermals griff eine politische Erwägung störend 
ein: Rußland wünschte nicht, daß auf altserbi- 
schem Boden Krieg geführt würde. Aus dem 
selben Grunde wurde die Beschießung von pirot 
eingestellt, die auf Befehl des Kommandeurs 
der 3. bulgarischen Armee, General petrow, 
begonnen hatte. Ohne solche Hindernisse hätten 
beide Armeen nach Süden einschwenken und im 
Tal der Morava gegen Vranja-Kumanovo vor 
gehen und die Entscheidung zugunsten Bulgariens 
bringen sollen. Die 3. Armee war dabei als 
Vorhut der ersten gedacht. Unter solchen Um 
ständen wäre in jedem Heere Verwirrung ent 
standen; es fehlte an einem klaren Ziel, alles 
wankte und schwankte und dabei gingen manche 
herrliche Soldatentugenden der Bulgaren ver 
loren. 
Der Einbruch und die unblutigen Siege der 
kriegerischen Rumänen vervollständigten Bul- 
'gariens Medergang. Vielleicht wird nach 0af>c= 
hunderten noch der Professor der Geschichte 
seinen Hörern an dem klassischen Bulgarien 
leigen, wie die besten Erfolge des Soldaten 
durch eine unvorsichtige Diplomatie vernichtet 
werden können. Das hat sich freilich in der 
dann weit zurückliegenden Zeit der Völkerkriege 
und der Barbarei des 20. Jahrhunderts zuge- 
tragen. . . 
Es ist nicht notwendig, den Betrachtungen 
des Korrespondenten, der mit seinen Sympa 
thien auf Seite der Bulgaren stand, noch etwas 
hinzufügen. Wenn trotzdem das Mitleid mit 
dem niedergeworfenen, um alle seine Hoffnungen 
betrogenen Bulgarien in Europa nicht allzu groß 
sein konnte, so trug die Schuld daran das Ver 
halten der Bulgaren in diesem Meilen Kriege. 
Die verübten Greuel in Mazedonien ließen das 
Unglück Bulgariens beinahe als eine verdiente 
Strafe ansehen. 
Die Schrecken des zweiten Krieges. 
ersten Balkankrieg sind schon unmensch- 
liche Greuel verübt worden. Serben, 
V?Jl Bulgaren und Griechen wetteiferten im 
Abschlachten türkischer Verwundeter, 
Frauen und Kinder. Im Meiten Krieg 
aber, als sich die Wut der siegreichen Bal 
kanstaaten gegeneinander kehrte, war alles 
Gesühl für Menschlichkeit geschwunden; die 
Armeen wateten in Strömen von Blut und die 
bestialischen Instinkte einer in ihrem Kern noch 
barbarischen Bevölkerung kamen zum furchtbaren 
Durchbruch. Die Berichte über Greueltaten der 
Bulgaren, der Griechen und Serben sind so 
entsetzlich, daß wir uns darauf beschränken, nur 
die wichtigsten wiederzugeben. Der Rassenhaß 
hat unter den Richtkombattanten vielleicht mehr 
Opfer gefordert, als die Schlachten; es war ein 
Ausrottungskrieg, der mit beispielloser Er 
barmungslosigkeit auf allen Seiten geführt 
wurde. 
Schon zu Beginn des Meiten Krieges 
wurde von serbischer Seite über Grausamkeiten 
berichtet, die von Bulgaren, und Mar sowohl 
von den Banden wie von dem regulären Heer 
in Mazedonien verübt wurden. Die Bulgaren 
ihrerseits beschuldigten die Serben und Griechen 
der gleichen Verbrechen, und es ist kaum festzu- 
stellen, welche von den drei Rationen am furcht 
barsten gewütet hat. Eine europäische Kom 
mission, die zur Untersuchung nach Mazedonien 
geschickt wurde, hat detaillierte Ergebnisse ihrer 
Untersuchung noch nicht veröffentlicht; es wurde je 
doch gemeldet, daß nach ihrer Meinung sich am 
scheußlichsten die Griechen benommen haben; 
auf diese folgten die Bulgaren und in dritter 
Reihe die Serben. Dieses Urteil wird vielleicht im 
Hinblick auf die Greuel eine Korrektur erfahren 
müssen, welche die Serben erst in letzter Zeit 
gegen die albanesische Grenzbevölkerung ver 
übten. Wir wollen jedoch hier kein Urteil fällen, 
sondern lediglich an der Hand der vorliegenden 
Berichte einiges über die Ereignisse mitteilen. 
Zunächst Berichte von serbischer Seite. 
Ivan Ivanitch, der als Berichterstatter auf 
serbischer Seite den Feldzug mitgemacht hat, 
schreibt aus Usküb, >7. Juli: 
Man sollte es für mittelalterliche Schauer 
märchen halten, aber — so unfaßbar es ist, es
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.