Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Die Kämpfe auf dem serbisch-bulgarischen Kriegsschauplay. 
DO 
Meine lieben Serben! Es ist )u dem ge 
kommen, was ich keineswegs erwartet hätte. Die 
Bulgaren, unsere bluts- und religionsverwandten 
Brüder, unsere Bundesgenossen haben in un 
menschlicher Weise Verwundete massakriert, den 
Vertrag mit dem Degen zerstört, Freundschaft 
und Brüderlichkeit vernichtet. Schon seit 8 Tagen 
werden in Mazedonien am Ovce polje und an 
den ehemaligen Grenzen unsere^ Vaterlandes 
blutige Kämpfe geliefert und brüderliches Blut 
vergossen. Das Her) unserer Helden krampst 
sich zusammen und die vor Adrianopel gefallenen 
Serben erschauern in ihren Gräbern. 
Die Bulgaren haben vergessen der serbischen 
brüderlichen Hilfe, sie haben vergessen des ver 
gossenen Blutes und der auf den thrazischen 
Schlachtfeldern gefallenen Helden. Sie haben 
dem Slawentum und der zivilisierten Welt ein 
verächtliches Beispiel von Undankbarkeit und 
Habsucht gegeben. 
Dieses unbrüderliche Vorgehen der Bulgaren 
hat mich schmerzlich betrübt; es hat meine auf 
richtigen slawischen Gefühle verletzt. Die ganze 
Verantwortung für diese Verbrechen gegenüber 
dem Slawismus und der Menschlichkeit fällt 
auf den zurück, der sie begangen hat. Und wa 
rum alles dies! Weil man den Streit über die 
Teilung nicht lösen will in brüderlicher Weise 
und auf friedlichem Wege, sondern uns unsere 
Eroberungen rauben, die Wiege unserer Vor 
fahren, das Land der Remanjiden, das ihr mit 
euerem frischen Blute getränkt, das ihr befreit 
und dem Serbentum wiedergewonnen habt. Die 
Gräber der toten Helden dieses glorreichen 
Krieges, sie rufen euch und beschwören euch, sie 
zu rächen. 
So laßt uns denn uns und unsere treuen 
heldenhaften griechischen Verbündeten verteidigen 
gegen dieses Drangsal. Die mutigen, tapferen 
montenegrinischen Falken kämpfen an unserer 
Seite, um die serbischen Lande zu verteidigen. 
Die Lebensinteressen des Vaterlandes haben 
mich schweren Herzens dazu gezwungen, an 
meine tapfere Armee zu appellieren, damit sie 
sich in ihrer Selbstverleugnung und ihrem Hel 
denmute würdig zeige der glorreichen Helden 
der Siege von Kumanovo, Prilep, Monastir 
und Adrianopel. 
Möge Gott meine treuen Soldaten be 
schützen! 
Dieser traurige Krieg ist mir aufgezwungen 
worden. 
Liber den Eindruck der Kriegsproklamation in 
Belgrad wurde berichtet: 
Mit dem Abbruch der diplomatischen Be 
ziehungen und der heute erfolgten Kriegsprokla 
mation ist der Kriegszustand Mischen Serbien 
und Bulgarien, welcher tatsächlich schon seit 
Wochenfrist besteht, auch formell deklariert. Alle 
Zweifel über die weitere Entwicklung der Er 
eignisse sind behoben, alle Hoffnungen auf 
Lokalisierung der Kämpfe auf Makedonien zer 
stört. Der blutige Kampf am Ovce polje hat 
sich zum vollen Kriege erweitert. Die Eröffnung 
des Waffenganges auf staatlichem Territorium 
steht unmittelbar bevor. 
Die Proklamation, in welcher König Peter 
die Serben zur Verteidigung der Lebensinter- 
effen des Vaterlandes auffordert, beginnt mit 
den Worten, daß dasjenige eingetreten sei, was 
der König niemals erhofft hatte. Darin liegt 
gleichzeitig ein aufrichtiges Bekenntnis der Re 
gierung Paste, denn die Erhaltung des brüder 
lichen Einvernehmens mit Bulgarien bildete ein 
förmliches Dogma der seit Jahrzehnten ver 
folgten Politik der serbischradikalen Partei. Trotz 
dem alle Anzeichen dafür sprachen, das) der 
Konflikt wegen der eroberten Gebiete nur mit 
den Waffen gelöst werden könne, hielt das 
Kabinett Paste noch bis zum letzten Augen 
blicke an der Überzeugung fest, das) eine fried 
liche Lösung noch immer möglich, noch immer 
zu erhoffen sei. Gerade vor einer Woche lehnte 
noch die Regierung die Anträge der Opposition 
in der Skupschtina ab, die eroberten Gebiete 
zu annektieren, weil sie trotz der inzwischen er 
folgten Kämpfe die Brücke zur friedlichen Ver 
ständigung nicht abbrechen wollte, weil sie fest 
überzeugt war, das) die leitenden bulgarischen 
Staatsmänner unmöglich zu einem bruder 
mörderischen Kriege Zuflucht nehmen werden. Des 
halb wird in der Proklamation an erster Stefle 
gesagt, das) das nie Erwartete eingetreten sei. 
Eine Meite Stelle in der Proklamation 
läßt den Standpunkt der Regierung zum Kriege 
selbst erkennen. Es ist dies der Passus, in 
welchem ausgesprochen wird, das) die Verant 
wortung für das gegenüber dem Slawentum 
und der Menschlichkeit verübte Verbrechen der 
Urheber desselben zu übernehmen habe. Hier 
durch soll hervorgehoben werden, das) nicht das 
bulgarische Volk den Krieg gewollt, ihn gesucht 
und verlangt habe, sondern das) ihm der Krieg 
ebenso wie dem serbiscben Volke von den irre 
geleiteten kurzsichtigen Lenkern des bulgarischen 
Staates durch ihre Politik aufgeMungen wurde. 
Indem Schutt und Trümmer des Bündnisver 
trages weggeräumt werden, richtet die serbische 
Regierung in der Proklamation Pfeiler für eine 
neue Brücke zur Verständigung von Volk M 
Volk auf. Die serbische Regierung stellt sich, 
analog der Haltung der Serbischradikalen 
während des ersten serbisch-bulgarischen Krieges 
im Jahre 1885, auf den Standpunkt, das) beide 
Brüdervölker keine Schuld an dem ihren wahren 
Interessen widersprechenden Krieg trifft.
	        
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