Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Die Kämpfe aus dem serbisch-bulgarischen Kriegsschauplay. 
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deutenden Streitkräften unternommenen plötz 
lichen und gleichzeitigen Vordringens. Wenn 
man sich auf kleine, heimtückische Angriffe, wie 
jene von Zletowo und Aeogasi, gefaßt machen 
konnte, so konnte man sich nicht mit dem Ge 
danken befreunden, daß die bulgarische Armee 
mit Angriffen vor dem Abbruch der diplomati 
schen Beziehungen beginne, Angriffe, die, im 
vorhinein systematisch vorbereitet, darnach ange 
tan waren, die zivilisierte Welt, welche den 
brudermörderischen Kampf mißbilligt, in Be 
stürzung zu versetzen. Die Bulgaren fraternisierten 
mit den Serben, indem sie sie aufforderten, ein 
ander nicht zu töten. Und in der Tat haben die 
Bulgaren, nachdem der Kampf begonnen hatte, 
ihre Gewehre mit den Kolben in die Höhe ge 
hoben und weiße Flaggen gehißt. Anstatt sich 
aber zu ergeben, griffen sie mit dem Bajonett 
an. Unter der Benützung der Dunkelheit näherte 
sich an einem Punkte ein bulgarisches Bataillon 
einer serbischen Batterie. Die serbische In 
fanterie, die sich in der Aähe befand, eröffnete 
das Feuer, aber die Bulgaren schrien: „Wir 
hier sind Serben, schießet nicht!" Es entstand 
eine Verwirrung und das Feuer wurde einge 
stellt. Die Bulgaren nahmen den Angriff 
wieder auf und nahmen den Serben 4 Kanonen 
weg. Als es zu dämmern begann, nahmen die 
erbitterten serbischen Soldaten mit dem Bajonett 
ihre Batterie den Bulgaren wieder ab. 
Folgendes Beispiel ist noch schrecklicher. Auf 
der Brücke über die Bregalnitza bei Istip waren 
am 29. Juni 2 serbische und 2 bulgarische 
Wachtposten aufgestellt. Der Kommandant des 
bulgarischen Vorpostens lud die Offiziere unseres 
Vorpostens ein, sich gemeinsam photographieren 
zu lassen, denn, sagte er, die Streitpunkte seien 
geregelt und es werde keinen Krieg geben. 
Aber schon am Tage vorher haben die Bul 
garen die Distanz bis zu den serbischen Ver 
schalungen äußerst genau abgemessen und ins 
geheim ein Artillerieregiment mit 36 Geschützen 
aufgestellt und den Angriff vorbereitet. Diese 
Photographien wurden am 29. Juni aufge 
nommen und am 30. Juni vormittags unter 
nahmen die Bulgaren unvermutet einen heftigen 
Angriff auf unsere Vorposten. 3m selben 
Augenblicke eröffneten 36 Geschütze ein höllisches 
Feuer. Der ganze Aaum Mischen den Ver 
schanzungen und den nächstgelegenen Biwaks, 
wo sich die Truppen befanden, war buchstäblich 
von einem Hagel von Geschossen bedeckt. Die 
Serben sahen sich gezwungen, die Verschalungen 
zu verlassen und geschützte Stellungen einzu- 
nehmen. Ls entspann sich ein blutiger Kampf. 
Die Bulgaren griffen verzweifelt an. Als die 
Serben Verstärkungen erhielten, wurde der 
bulgarische Angriff auf der ganzen Linie zu 
rückgeschlagen, wobei die Bulgaren riesige Ver- 
lüfte erlitten. Ihre Leichen lagen in Haufen 
auf dem Schlachtfelde. Aber auch die Serben 
hatten empfindliche Verluste zu verzeichnen. 
Major Milan Vasic fiel. Er war einer der 
Offiziere, die sich am Tage zuvor mit den Bul 
garen jener Abteilung, die bei der Bregalniha- 
brücke auf Vorposten gestanden war, hatten 
photographieren lassen. Sämtliche Offiziere und 
Unteroffiziere sind verwundet. Da die serbischen 
Truppen von allem Anfange an genötigt waren, 
bis zum Eintreffen von Verstärkungen sich vor 
den numerisch überlegenen feindlichen Streit 
kräften zurückzuziehen, ließen sie ihre Ver 
wundeten unter dem Schuhe der Genfer Kon 
vention in Jetten zurück. Die Bulgaren aber 
machten die serbischen Verwundeten mit dem 
Bajonett nieder. 
Von amtlicher bulgarischer Seite wurden 
diese serbischen Berichte prompt und kurz demen 
tiert: sie sind erfunden und haben in Sofia die 
größte Erregung hervorgerufen. Aach dem, was 
man später von den Greueln des zweiten 
Balkankrieges gehört hat, muß, man aber leider 
annehmen, daß diese Erzählungen einen wahren 
Kern hatten; die Menschlichkeit war ja längst 
bei den Armeen der Balkanstaaten nicht mehr 
zu finden. Auch die serbischen Siegesmeldungen 
wurden von bulgarischer Seite sofort dementiert. 
So meldete ein Telegramm aus Sofia vom 
3. Juli: 
Serben und Griechen unternahmen gleich 
zeitig an verschiedenen Punkten heftige Angriffe 
am 29. und 30. Juni. Der Angriff der 
Serben bei Zletowo war besonders heftig. Dichte 
Kolonnen warfen sich auf die bulgarischen Vor 
posten. 
Mit Bajonettangriffen gingen die Bulgaren 
zum Gegenangriff über, übersetzten das Flüßchen 
Iletovska und drangen zum Dorfe Ovce polje 
vor, wo sie den die ganze Gegend beherrschen 
den 55 Meter hohen Tapo besetzten. 
Die Kämpfe wurden auch bei den Höhen 
Kitka und Sultan östlich von Kratowo geführt. 
Die Bulgaren gingen hier offensiv vor und be 
setzten das ungefähr 6 Kilometer von Kratowo 
entfernte Dorf Emiritza. Schließlich nahmen die 
Bulgaren auch das Dorf Dobrewo zwischen 
Zletowo und Kratowo. 
Was gestern geschah, ist noch unbekannt, 
da ein bulgarischer Parlamentär die Einstellung 
der Feindseligkeiten von den Serben forderte 
und die Antwort der Serben hier noch unbe 
kannt ist. Gleichzeitig, als die Serben bei 
Zletowo angriffen, attackierten die Griechen bei 
Gevgheli in der Aichtung gegen Dojran. Der 
feindliche Vormarsch wurde rasch aufgehalten 
und die Bulgaren drangen mit Bajonettangriffen 
vor. Der Gegner wurde vom linken Vardar- 
ufer zurückgeworfen.
	        
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