Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Nus dem griechisch-bulgarischen Kriegsschauplatz. 
na 
Schrecken der türkischen und griechischen Bevöl 
kerung Makedoniens. Offiziell war natürlich die 
bulgarische Regierung stets bestrebt, sich keine 
Blöße zu geben; den Bedrückungen der Grie 
chen durch die bulgarischen Banden aber schaute 
sie untätig zu, und zwar nicht nur in Make 
donien, sondern auch im eigenen Lande. Ein 
trauriges Zeugnis hiefür bot die Vertreibung 
der griechischen Bevölkerung aus der in Bul 
garien gelegenen griechischen Ortschaft Anchilaos, 
deren Rufnahme und Ansiedlung in Thessalien 
Griechenland viele Millionen kostete. Im Ver 
lauf des letzten Krieges spitzten sich die Gegen 
sätze immer mehr zu, es gab mannigfaltige Streit 
fragen und die Kluft wurde unüberbrückbar. Die 
beiderseitige Presse überhäufte sich schließlich der 
art mit Anklagen und Schmähungen, daß eine 
andere Abrechnung als mit den Massen unmöglich 
schien. Die griechische Regierung erschöpfte alle 
Mittel zu einer friedlichen Auseinandersetzung, 
doch wurden ihre Vorschläge, sich entweder direkt 
zu verständigen oder alles einem Schiedsgericht 
zu unterlegen, ausweichend oder gar nicht be 
antwortet. Als dann letzten Sonntag und Mon 
tag die griechischen Vorposten unversehens dies 
seits der neutralen Jone plötzlich überrumpelt 
wurden, so war damit dem Faß der Boden aus 
geschlagen. Ein Entrüstungssturm fuhr durch das 
Land und man sagte sich: Wenn es doch sein 
muß, dann lieber gleich, und mit Wucht drauf 
los. Der opferbereite Wille, nun alles fürs 
Vaterland einzusehen, ist wirklich stark vorhan 
den und zeigt sich in allem. Ein junger Soldat 
bei den Vorposten in Makedonien schreibt 
seinen Verwandten, er und seine Kameraden 
würden sich glücklich schätzen, den Tag des end- 
gütigen Sieges zu erleben und ruhmvoll in 
Sofia einzuziehen, aber sie seien auch bereit, 
freudig fürs Vaterland in den Tod zu gehen. 
Vor 14 Tagen hörte ich von einem Bekannten, 
daß im Piräus unausgesetzt Dampferladungen 
mit Militär, Munition, Geschützen und allem 
Kriegsbedarf mit fast fieberhafter Eile abgefer 
tigt werden, mit dem einen Ziel: Saloniki) 
Selbst die schweren Festungsgeschütze, die im 
letzten Kriege im Rotfall dazu hätten dienen 
sollen, die unbefestigte Hauptstadt und den Pi 
räus gegen einen eventuellen Angriff der feind 
lichen Flotte zu verteidigen, seien nach Saloniki 
geschafft worden. 
Die Ausrüstung und Einübung der neuen 
Mannschaften geht mit musterhafter Ordnung 
vor sich. Der Jahrgang 1914 wird wohl auch 
ausgehoben werden, patras ist einer der Sam 
melplätze. Zu uns strömt die Jungmannschaft von 
Atolien und Arkanien zu Schiff herüber, um 
dann mit der Bahn oder dem Dampfer nach 
Athen befördert zu werden. Sie kommen alle 
in ihrer Rationaltracht, der Fustanella und der 
Zaruchia; denn erst in Athen erhalten sie ihre 
Ausrüstung. Seit 5 Tagen gibt es wieder Extra 
blätter mit den einlaufenden Telegrammen und 
Maueranschläge, die der harrenden Menge vom 
Rächststehenden vorgelesen werden. In Athen 
hat der polizeidirektor das bisher übliche Aus 
schreien der Rachrichten durch die Ieitungsbuben 
streng verboten. 
In Saloniki muß es blutig hergegangen sein. 
Mit dem Verschwinden der bulgarischen Garnison 
und den dazu gehörigen Komitatschis scheint die 
vielgeprüfte Stadt zum erstenmal die Wohltat wirk 
licher Ruhe zu empfinden. Das Andenken an 
die unliebsamen Gäste wird noch lange durch 
Hunderte der haarsträubendsten Geschichten wach 
gehalten. Auf dem Dampfer „Marietta Rallis", 
der vorgestern die 1225 Bulgaren mit 56 Offi 
zieren (?) der Salonikier Garnison nach Piräus 
brachte, befand sich auch eine mitverhaftete Bul 
garin, die eine so traurige Rolle bei dem ge 
planten Schurkenstreich gespielt hat. Rämlich 
am Tage vor der Gefangennahme der Garnison 
setzten die Komitatschis folgende teuflische Ko 
mödie in Szene. Sie veranstalteten einen in 
aller Form ausgerüsteten Leichenzug in den 
Hauptstraßen von Saloniki. Ein Teil der Bande 
war als Priester verkleidet und hinter dem 
schwarzverhängten Sarg folgte die nun ver 
haftete Bulgarin. Die wachsame kretische Polizei 
witterte jedoch Unrat und vereitelte in letzter 
Stunde das ruchlose Komplott. Der Sarg war 
nämlich mit Bomben angefüllt und sollte in 
das Haus geworfen werden, in dem die griechi 
schen Marinetruppen untergebracht waren und 
das unfehlbar in die Luft gesprengt worden 
wäre (?). Run wird den Komitatschis das Hand 
werk gelegt werden. Man begreift, daß es hohe 
Zeit war, die Stadt endlich ein- für allemal 
von allen bulgarischen Elementen zu säubern, 
nachdem die Bulgaren das griechische Aner 
bieten, sie unter militärischem Schutz zu den 
bulgarischen Vorposten zu bringen, abgelehnt 
hatten und Widerstand leisten wollten, weil 
ihnen ihr Kommandant Oberst Hessaptschew ver 
sprochen hatte, innerhalb weniger Stunden würde 
die bulgarische Armee Saloniki einnehmen) Der 
ehrenwerte Oberst brachte inzwischen seine Haut 
heimlich mit der Bahn in Sicherheit) Es galt 
also rasch zu handeln, und das war nicht so 
leicht, denn jedes Haus und jede Kaserne mit 
bulgarischer Besatzung stellte eine kleine Festung 
dar. Sogar die schöne Hagia Sophia-Kirche 
barg 30 Bulgaren, welche man ihre Munition 
verschießen lassen mußte, da der Befehl gegeben 
worden war, das Gebäude nicht zu beschädigen. 
Der Umsicht der griechischen Truppenleitung ge 
lang es unter Absperrung der Straßen, von 
Montag bis Dienstag früh, alle bulgarischen 
Truppenteile samt ihren Komitatschis auszu-
	        
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