Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Einwirken der Mächte in Belgrad und Sofia. 
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keinen Illusionen hin, weil man weist, hast die 
Bulgaren den serbischen Standpunkt nicht an 
erkennen werden, und weil anderseits auch die 
Serben zu so weitgehenden Konzessionen, wie 
sie die Bulgaren erwarten, nicht geneigt sind. 
So herrscht denn überall bei den Truppen reges 
Leben und nur die Cholera lästt gewisse Be 
denken aufkommen, die Vorpostenlinien noch 
weiter zu verstärken, als es tatsächlich schon der 
Fall ist. Die Griechen geben sich erfreulicher 
weise alle Mühe, die Verbreitung der Seuche 
aufzuhalten, ihre Mastnahmen sind zweckmästig 
und werden mit groster Strenge durchgeführt, 
während der bulgarische Sanitätsdienst noch 
sehr zu wünschen übrig lassen soll. So hat die 
Cholera in den bulgarischen Neihen schon viele 
Opfer gefordert. Man behauptet dort zwar, dast 
es sich nur um vereinzelte Fälle handelt; dem 
ist aber nicht so, und es bestehen berechtigte 
Befürchtungen, dast angesichts der nun ein 
brechenden grasten Hitze eine weitete Ver 
breitung dieser Krankheit nicht so leicht aufzu- 
halten sein wird. 
Die griechischen Blätter legen sich hinsicht 
lich der Gefühle, die man für die Bulgaren 
hegt, keinen Zwang mehr auf. Verschwieg man 
ehedem die Übergriffe der bulgarischen Soldaten 
aus Rücksicht auf die „verbündete" Nation, so 
werden seht alle Fälle an die Öffentlichkeit ge 
bracht, und wenn auch etwas stark aufgetragen 
wird, so steht man leider vor der unleugbaren 
Tatsache, dast die bulgarische Heeresverwaltung 
nicht energisch genug ist, um die Vorkommnisse 
zu verhindern, welche den bulgarischen Truppen 
keineswegs zur Ehre gereichen. Das, was sich 
wieder in panghaion in der Gegend von 
petritze und Strumnitza ereignet hat, spricht 
jeder Menschlichkeit Hohn und ist weit davon 
entfernt, den Glauben der Bevölkerung an eine 
künftige gerechte Behandlung seitens der bul 
garischen Behörden zu stärken und überhaupt 
aufkommen zu lassen. Die Griechen gehen in 
zwischen hier nach wie vor mit der gröstten 
Strenge gegen das bulgarische Clement vor, 
haben zahlreiche Verhaftungen und Über 
führungen von Bulgaren nach Griechenland 
vorgenommen, wodurch der Hast immer mehr 
geschürt wird. 
Ethnographisches über Makedonien. 
Aus der serbischen Forderung geht klar ge 
nug hervor, dast Serbien Makedonien für sich 
verlangte. In diesem Zusammenhang ist es 
interessant zu sehen, ob auch bei dieser Forde 
rung die berühmt gewordene Devise „Der 
Balkan den Balkanvölkern" zur Anwendung 
gelangte, über die Frage, ob Makedonien bul 
garisch oder serbisch sei, schrieb damals ein 
Kenner der Verhältnisse auf der Balkanhalb 
insel, Professor Weigand (Leipzig), -in der 
„Frankfurter Zeitung": 
Als im Jahre 1889 von Sp. Gopcevic in 
seinem Buche Makedonien und Altserbien der 
Versuch gemacht wurde, die mazedonische Be 
völkerung als serbisch hinzustellen, wurde er so 
energisch zurückgewiesen, dast die Diskussion 
über den Gegenstand rasch verstummte. Neuer 
dings ist nun von den Serben, da sie aus po 
litischen, respektive aus ökonomischen Gründen 
glauben, nicht auf Mazedonien verzichten zu 
können, auf andere Meise versucht worden, 
ihren Ansprüchen eine gewisse rechtliche Basis 
zu geben. Professor Cvijic stellt die Sache so 
dar, als sei es überhaupt nicht möglich, das 
Volkstum der mazedonischen Slawen genau zu 
bestimmen, sie könnten eben so gut als Serben 
wie als Bulgaren bezeichnet werden. Hierauf 
fustend, behauptet nun die ganze serbische presse, 
die Negierung und selbst die Akademie, dast 
Mazedonien unbedingt an Serbien fallen 
müsse. 
Es wäre unrecht, wenn Leute, die die Ver 
hältnisse genau kennen, zu einer derartigen 
Mystifikation des Publikums schweigen wollten, 
und deshalb erhebe auch ich meine Stimme in 
dieser Frage, die eigentlich gar keine Frage mehr 
ist, da für die Wissenschaft völlige Klarheit 
herrscht. Um eine Autorität für den serbischen 
Standpunkt ins Feld zu führen, wird die Mei 
nung des Slawisten V. Zagic wiedergegeben, 
dast die mazedonischen Dialekte einen Übergang 
vom Serbischen zum Bulgarischen darstellen. 
Wenn Zagic das gesagt hat, so hatte er sicher 
lich nur einige lautliche Erscheinungen im Auge, 
die in der Tat die nördlichen mazedonischen 
Dialekte mit dem Serbischen gemein haben, 
aber das beweist gar nichts für die Zugehörig 
keit dieser Dialekte zum Serbischen oder für den 
angeblich serbischen Charakter der mazedonischen 
Slawen. Ebensowenig wie man etwa auf 
Grund der Bewahrung des auslautenden „l" 
in westserbischen (dalmatinischen) Dialekten auf 
den bulgarischen Charakter derselben schliesten 
kann, ebensowenig darf man darauf Gewicht 
legen, dast sich z. B. im Nordmazedonischen der 
Laut «kj" statt des bulgarischen „st" findet. 
Nicht solche Einzelheiten aus der Lautlehre sind 
entscheidend, sondern der Gesamtcharakter der 
Sprache, der aber nicht lediglich durch die Laut 
lehre, die übrigens auch zugunsten des Bul 
garischen spricht, bestimmt wird, sondern in viel 
höherem Grade durch die Flexionslehre, Syn 
tax und innere Sprachform, und da geben der 
Verlust der Nominalflexion (durch Endungen), 
ferner die Bildung des Futurums und vor 
allem der Gebrauch des angehängten Artikels
	        
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