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Einwirken der Mächte in Belgrad und Sofia.
an
mitten unserer Linien und die Verletzung unse
res Gebietes bestand weiter. Die Regierung in
Sofia sprach nicht mehr von dem Iurück)iehen
dieser Truppen, beklagte sich aber über unsere
militärischen Bewegungen — das ist es wahr
scheinlich, was sie in ihrer Antwort Treibereien
nennt — Bewegungen, die wir indessen mit der
Aufrichtigkeit angekündigt hatten, die wir uns
selbst und der die beiden Negierungen einigen
den Freundschaft schuldeten.
Das bulgarische Hauptquartier hatte überdies,
ohne etwas anzukündigen, andere beunruhigende
Maßnahmen getroffen. Es sandte eiligst nach'
Makedonien beträchtliche Verstärkungen. Am
30. Mär) gab es zwischen Kavalla, Doiran
und Saloniki 19-000 Mann bulgarischer Truppen,
am 5. April 26.500, am 11. April 42.000
Mann, und am 20. April betrugen die bulga
rischen Streitkräfte bereits über 60.000 Mann.
Cs ist nicht )u verwundern, daß daraus Kon
flikte entstanden sind, die )u wahren Schlachten
ausarteten, als am 8. Mai die Bulgaren 5 Re
gimenter koncentrierten, um gegen die griechischen
Detachements vom panghaion )u marschieren
und sie von dort )u vertreiben. Man könnte
wahrlich nicht behaupten, daß alle diese Streit-
kräfte sich dort cufällig befunden und an den
Zusammenstößen nur gelegentlich teilgenommen
hätten. Ebenso bestätigen die Tatsachen nicht,
daß für diese blutigen Kämpfe die Koncentrie-
rung unserer Truppen die Ursache gewesen sei.
Die sehr schwierige Lage, in der wir uns be
finden, hat einen anderen Grund. Sie entspringt
einzig und allein aus der Handlungsweise der
bulgarischen Militärbehörden, die stets bedeu
tende Streitkräfte in der Nähe der Unsrigen
halten und so viel als möglich ein wirkliches
Kondominium schaffen wollten. Das war schon
damals sehr klar, als die Bulgaren beträchtliche
Streitkräfte nach dem Operationsfelde der
griechischen Armee entsandten, obwohl die tür
kischen Streitkräfte, die unseren Truppen gegen
übergestanden waren, bereits endgiltig geschlagen
waren. Und damals, als das bulgarische Gene
ralkommando 2 serbische Divisionen nach Adria
nopel )ur Hilfe berief, hat es bis Mitte des
Monats November nicht geglaubt, aus Ma)e-
donien die Divisionen entfernen )u sollen, die
es dorthin gesandt hatte. Den gleichen Grund
satz befolgte das bulgarische Hauptquartier, als
es bei unserem Hauptquartier darauf bestand,
daß bulgarische Kontingente in Saloniki, wenn
auch nur als Gäste, einrücken. Dieselbe Hand
lungsweise war darin )u sehen, daß die Armee
unseres Verbündeten sich durch unsere Linien selbst
bis auf das rechte Ufer des Vardar ausbreitete.
Die Regierung in Sofia schien wenig die
Folgen der unentwirrbaren Lage )u befürchten,
in welche uns die gleichzeitige Anwesenheit der
beiden Armeen bringen mußte. Sie schien nicht
)ulassen )u wollen, daß die verbündeten Re
gierungen offen an das Problem der Teilung
herantreten, indem diese kleinen Besetzungs- und
Verwaltungsfragen beiseite gelassen werden, die
ganz und gar dem Geiste widersprechen, der sie
)u diesem Befreiungskriege drängte. Während
wir bei den Friedensverhandlungen in London
und im präliminarvertrag, den wir dort unter-
ceichnet haben, alle Gebiete der europäischen
Türkei auf gemeinsame Rechnung verlangt und
erhalten haben, wodurch wir unbestreitbar an
gedeutet haben, daß wir sie durch ein gemein
sames Einvernehmen und auf Grund von all
gemeinen Principien, die den Frieden auf dem
Balkan gewährleisten können, teilen werden,
läßt die bulgarische Regierung Maßnahmen
ergreifen, welche die friedliche Lösung der cwi-
schen den Verbündeten bestehenden Streitfragen
gefährden können, und schreibt uns Absichten
)u, für deren Bestehen in unserer Haltung
in der Vergangenheit und in der Gegenwart
kein Anceichen )u finden ist.
Der versöhnliche Geist hat uns niemals ver
lassen, selbst dann nicht, als die von den Bul
garen in Saloniki und anderswo heraufbe
schworenen Schwierigkeiten uns auf harte proben
stellten. Bei den letzten Angriffen bulgarischer
Streitkräfte haben wir es für unsere Pflicht ge
halten, uns nicht fortreißen cu lassen und, wie
wohl wir erwidern konnten, haben wir es nicht
tun wollen, um das Bündnis, das die beiden
Völker vereinigt, nicht scheitern cu sehen.
Wir wollen nicht hervorheben, was in der
bulgarischen Antwort über die Verfolgungen
gesagt ist, unter denen das bulgarische Element
in Macedonien von seiten der Griechen leide.
Unsere Behörden hatten die Pflicht, diejenigen
cu verhaften, die sich Verbrechen schuldig ge
macht haben, und die Komitatschis cu verfolgen,
die durch ihre Treibereien die öffentliche Ord
nung in den von den Griechen besetzten Distrik
ten in Gefahr brachten. Die Zahl dieser Ver
haftungen ist übrigens unbedeutend, wovon man
sich leicht überceugen kann. Dagegen haben wir
uns wiederholt in Sofia über die cahlreichen
Verfolgungen und Bedrückungen beklagt, unter
denen das griechische Element sowohl in Thra-
)ien als in den von Bulgaren besetzten Gebieten
in Macedonien leidet.
Die Antwort der Sofioter Regierung läßt
unseren Vorschlag, die Effektivstände der ver
bündeten Armeen in Macedonien herabcusetzen,
was sicherlich eine wohltuende Entspannung
herbeigeführt hätte, nur unter einer eincigen
Bedingung cu, nämlich daß Griechenland M-
stimme, daß die bulgarischen Truppen unvercüg-
lich und zusammen mit den griechischen Truppen
alle Gebiete im Norden, Osten und Südwesten