Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Die pertersburger Verhandlungen über den bulgarisch-rumänischen Konflikt. 
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Baltankrieg. II. 
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unterstützten Volksgenossen im Westen der bis 
herigen europäischen Türkei um so schwerer, als 
die Führer dieser Banden nicht selten Offiziere 
des griechischen Heeres waren und die griechische 
Presse die völlige Übereinstimmung mit der 
Denkweise und den Ansichten dieser Banden 
ungescheut ausdrückte. Bereits im September 
J905 kam es darüber zum Abbruch der diplo 
matischen Beziehungen Mischen Rumänien und 
Griechenland, sowiezu einem seitSommer 1909 von 
Rumänien sehr scharf geführten, für Griechenlands 
Handel und Schiffahrt recht verlustreichen Zoll 
kriege, der Mar bereits im Sommer 1907 eine 
Milderung erfuhr, aber noch derzeit in Form 
wechselseitiger Anwendung der Generaltarife 
andauert. Die diplomatischen Beziehungen Mi 
schen beiden Ländern wurden erst im Jahre 
1910 wieder aufgenommen. Die zu so scharfen 
Streitigkeiten Anlaß gebende Wichtigkeit dieser 
Frage für das rumänische Rationalbewußtsein 
ergibt sich schon aus der großen Zahl der Kuho- 
walachen in der bisherigen europäischen Türkei. 
. Die türkische amtliche Statistik mit ihrer Ver 
mengung von Volkstum und Glaubensbekenntnis 
versagt hier völlig. Aber eine im Zähre 1894 
von rumänischer Seite veranlaßte, mit größter 
Sorgfalt zusammengestellte und von Rubin aus 
führlich wiedergegebene Privatstatistik ergab in 
größeren Siedlungen von Aromunen in Maze 
donien und Epirus bereits damals 358.000 
Kuhowalachen. Außerdem sollen sich in Al 
banien noch mindestens 200.000 Rumänen be 
finden. Hierzu kommen noch etwa 150.009 Ru 
mänen, die teils in Thrazien (darunter 10.000 
in Konstantinopel) teils in kleinen Gruppen 
zerstreut und daher in obiger Ziffer nicht zu 
sammengefaßt in Mazedonien, Epirus und Al 
banien leben. Dies ergibt zusammen 718.000 
Kuhowalachen, ganz abgesehen von den 120.000 
Walachen Thessaliens, das bereits im Jahre 1881 
an Griechenland kam und den etwa 100.000 
Kuhowalachen Süd- und Rordbulgariens. All 
dies, nebst der nicht geringen Anzahl von Ru 
mänen im nordöstlichen Serbien, dürfte von einer 
Million nicht weit entfernt sein. 
Jedenfalls hat Rubin in seinen eingehenden 
historisch-statistischen Darlegungen über die ru 
mänischen Bevölkerungselemente im Südwesten 
der Balkanhalbinsel nicht nur seinen dortigen 
Volksgenossen einen großen Dienst erwiesen, 
sondern auch in anderer Beziehung wichtiges 
geleistet: er brachte eine wertvolle historisch 
statistische Grundlage für jene schwierigen Be 
mühungen bei, die auf Schaffung eines nach 
Größe und Bevölkerungszahl lebensfähigen Al 
banien abzielen und sich bei Erreichung dieses 
Zieles auf den innigen Bund jener beiden, durch 
die Erlebnisse des Balkankrieges am meisten 
gefährdeten Völkerschaften stützen wollen, nämlich 
auf den Bund der Albanesen und der rumäni 
schen Kuhowalachen. 
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* 
Man ersieht aus dieser Aufstellung, wie groß 
die Zahl der Kuhowalachen auf der Balkanhalb 
insel ist und man muß es begreiflich finden, daß Ru 
mänien diesen Volksgenossen insofern beistehen 
wollte, als es bei gegebener Gelegenheit wenig 
stens von Bulgarien die Zusicherung einer an 
ständigen Behandlung der Aromunen durchsehen 
wollte. Cs hatte damals den Anschein, als sollte 
Bulgarien ganz Mazedonien für sich erhalten 
und eben deshalb legte Rumänien so großen 
Rachdruck auf Zusicherungen in bezug auf die 
Behandlung der Kuhowalachen. 
In Petersburg hatte Rumänien also seine 
Forderungen zum größten Teil durchgesetzt und 
es schien, als wäre eine Gefahr, die seit längerer 
Zeit die Gemüter beunruhigte, gebannt, als 
würden die Petersburger Abmachungen den bul 
garisch-rumänischen Streit aus der Welt schaffen. 
Die Verhandlungen waren nicht ohne sehr ernste 
Debatten verlaufen. Österreich-Ungarn befand 
sich insofern bei den Verhandlungen in einer 
etwas schwierigen Lage, weil es einerseits die 
Forderungen Rumäniens unterstützen mußte, das 
zum Dreibund ein sehr gutes Verhältnis ge 
pflegt hatte und anderseits doch nicht zu sehr 
auf Bulgarien drücken durfte. Bei dem Gegen 
satz, der sich zwischen Bulgarien und seinen Ver 
bündeten bereits damals in ziemlich scharfer 
Form bemerkbar machte, mußte eine vernünftige 
Politik darauf gerichtet sein, Bulgarien im Gegen 
satz zu Serbien, das ja Österreich-Ungarn un 
versöhnlich gegenüberstand und ganz im russi 
schen Fahrwasser segelte, mehr auf die Seite 
des Dreibundes zu ziehen. Österreich hat des 
halb in Petersburg den Versuch unternommen, 
Rumäniens Forderungen soweit als möglich zu 
unterstützen, ohne die Interessen Bulgariens zu 
sehr zu beeinträchtigen. Wie weit dieser Versuch 
gelungen ist, läßt sich schwer sagen, aber in 
Bukarest hat man zeitweise die österreichische 
Politik als einen Verrat an Rumänien empfun 
den und sich mehr der russischen Politik zuge 
kehrt, trotz der schlimmen Erfahrungen, die Ru 
mänien mit dieser Politik bereits einmal gemacht 
hatte. 
Im übrigen erhielten die Petersburger Be 
schlüsse bald auf eine sehr merkwürdige Art die 
Ratifizierung: durch den Einmarsch rumänischer 
Truppen in Bulgarien. Davon wird bei der 
Schilderung der Ereignisse des Krieges unter 
den Verbündeten selbst ausführlicher die Rede 
sein.
	        
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