Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Der neue Staat Albanien. 
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und den Minister Marchese die San Giuliano 
absandte, jedoch keine besonderen bemerkens 
werten Beschlüsse faßte. 
Ms Effad Pascha Toptani Skutari den 
Montenegrinern übergeben hatte, zog er sich zu 
nächst mit seinen Truppen über Valona nach 
seiner Heimat Tirana zurück. Von dort aus er 
folgte seine Unabhängigkeitsproklamation. Die 
türkischen Truppen warteten in Valona auf den 
Abtransport nach Konstantinopel; die albanesi- 
schen Redifs wurden fast alle in ihre Heimat 
entlassen. 
Man stand nun zunächst vor der Frage, was 
Effad Pascha zu tun gedachte. Mir haben schon 
erwähnt, das) die österreichisch-ungarische Re 
gierung einen Verwandten Effad Paschas nach 
Tirana gesandt hatte, um 
den Pascha umzustimmen, 
und das) es diesem Ver 
wandten gelungen war, von 
Effad Pascha beruhigende 
Erklärungen zu erhalten. 
Am 7. Mai veröffentlichte 
die „Reue Freie Presse" 
eine Unterredung mit Su- 
reya Bey Vlora, eben dem 
Schwager Effad Paschas, 
der wieder nach Wien 
zurückgekehrt war, und der 
nun das folgende erzählte: 
Mittwoch den IO. April 
reiste ich von Wien nach 
Triest ab. Freitag den 
2. Mai langte ich um 4 Uhr 
nachmittags auf einem be 
sonderen Dampfer in Du- 
razzo an und Sonntag be 
gab ich mich von Durazzo 
wieder nach Wien. 
Als ich Freitag in Du 
razzo anlangte, konnte ich, 
da sich die serbischen Sol 
daten noch dort befanden, nicht an Land gehen. 
So verbrachte ich die ganze Rächt an Bord 
meines Schiffes, nachdem ich gleich nach meiner 
Ankunft durch einen Brief Effad Pascha in 
Tirana von meiner Anwesenheit hatte benach 
richtigen lassen. 
Samstag um io Uhr morgens zogen die 
Serben auf 11 griechischen Transportschiffen ab. 
Ich habe dies selbst gesehen. Es wurden ihnen 
zu Ehren 2 Salven abgefeuert und Ziviorufe 
ausgebracht. Run konnte ich ans Land gehen 
und nach Tirana, eine Strecke von 36 Kilo 
meter, abreisen. 
Effad Pascha kam mir entgegen. Er war in 
der Uniform eines türkischen Generals, von 
einer Eskorte begleitet. Sein Generalstab war 
mit ihm und auch Abdi Bey, der Finanzmi 
nister der provisorischen Regierung Albaniens, 
den man von Valona aus nach Tirana geschickt 
hatte, um Informationen über die Haltung 
Effad Paschas und über die Gerüchte einzuholen, 
die über ihn zirkulierten. Effad Pascha begleitete 
mich nach Durazzo und wir sprachen viele 
Stunden, über alle ihn betreffenden Fragen und 
Gerüchte. 
Effad gab mir die Versicherung, das) er 
keine Proklamation erlassen habe und das) 
zwischen ihm und den Montenegrinern keinerlei 
Abmachungen über die Rordgrenze Albaniens 
abgeschlossen worden sind. Er habe Skutari ab 
treten müssen, weil seine Leute Hunger litten. 
Jeden Tag seien in Skutari JO bis 4O Menschen 
gestorben, an einem Tage habe die Zahl der 
an Hunger Gestorbenen 120 
erreicht. 
Effad teilte weiter mit, 
in der Abmachung mit 
Montenegro sei als Be 
dingung festgesetzt worden, 
das) ihm 12O.OOO Kilo 
gramm Brot gewährt wür 
den, damit er bis Tirana 
gelangen könne. 
Montenegro habe Eu 
ropa in Verwirrung bringen 
und den Glauben hervor 
rufen wollen, das) Effad 
Pascha sich zum König von 
Albanien ausgerufen habe, 
das) demnach die Abtretung 
Skutaris durch den König 
von Albanien legitimiert sei 
und es daher kein euro 
päisches Interesse mehr sei, 
Skutari für Albanien- zu 
retten, vielmehr eine Ver 
treibung der Montenegriner 
aus dem ihm abgetretenen 
Skutari vollständig unbe 
rechtigt wäre, Albanien sollte als europäische 
Frage überhaupt erledigt erscheinen. 
Effad Pascha hatte aber in Wirklichkeit, so 
erklärt Sureya Bey, keinen Augenblick die 
Absicht, sich zum König proklamieren zu lassen. 
Die Berechnung des Königs Rikolaus war 
falsch. Aber um dieses Manöver ausführen zu 
können, nahm Montenegro alle Bedingungen 
Effads an. Effad Pascha konnte mit 24.OOO 
Mann, unter denen 1O.OO0 Kranke waren, mit 
27 Mitrailleusen, 36 Kanonen und 12 Feld 
kanonen abziehen, die er in Alessio zum 
späteren Weitertransport nach San Giovanni 
di Medua hat stehen lassen, da er keine Mittel 
hatte, sie nach Tirana zu bringen. Auch eine 
Menge Munition und 37.000 Gewehre konnte 
er mit sich nehmen. 
Aus der Malifsia.
	        
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