Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Debatte über die Balkanfragen im deutschen Reichstage. 
2. December begann im deutschen 
D%(aI Reichstag die Debatte über die aus- 
wältige Politik und es war selbst- 
verständlich, das) der Reichskanzler, 
Herr v. Bethmann-Hollweg, über die schwe 
benden politischen Fragen sprechen würde. Der 
Kanzler nahm auch sofort zu Beginn der Sitzung 
das Mort und führte folgendes aus: 
Bei einer Besprechung der auswärtigen Lage 
sind es die Ereignisse auf dem Balkan, die Ur 
zeit so ziemlich unsere ganze Aufmerksamkeit in 
Anspruch nehmen. Allerdings haben die Ver 
hältnisse auf der Balkanhalbinsel schon seit Jahr 
zehnten die Aufmerksamkeit der europäischen 
Großmächte in besonderem Maße beschäftigt. 
Miederholte Versuche sind gemacht worden, die 
Zustände daselbst ?u bessern und ?u ordnen, 
wobei die Hauptschwierigkeit in der Verschieden 
heit der Rassen und der Religionen beruhte. 
Bei dem Scheitern aller dieser Versuche mußte 
immer wieder mit einem gewaltsamen Ausbruch 
der Leidenschaften gerechnet werden. 
Das Bestreben der Regierungen der Groß 
mächte war darauf gerichtet, diesen Ausbruch 
möglichst lange hintanzuhalten und wenigstens 
solange zu verschieben, daß er nicht zu einem 
Kampfe aller gegen alle auf dem Balkan selbst 
und vor allem nicht zu kriegerischen Verwick 
lungen unter den Großmächten führte. Run 
hatte sich aber im Laufe dieses Jahres die 
Stimmung Mischen der Türkei und den Balkan 
staaten so zugespitzt, daß der Ausbruch des Kon 
fliktes nicht mehr zu verhindern war, trotz des 
eifrigen Bestrebens der Mächte, den Frieden zu 
erhalten. Insbesondere mußten wir auf eine ge 
waltsame Lösung der Frage gefaßt sein, seitdem 
uns im Beginn dieses Sommers bekanntgewor 
den war, daß sich die Balkanstaaten zu einem 
Bunde zusammengeschlossen hatten. 
Als wir den Kampf als unvermeidlich an 
sahen, haben wir vor allem darauf hingewirkt, 
ihn zu lokalisieren. Dies ist bisher gelungen 
und ich kann wohl die bestimmte Hoffnung 
aussprechen, daß dies auch weiter gelingen 
wird. 
Von den Vorgängen auf dem Balkan 
werden wir Mar nicht unmittelbar berührt und 
in manchen Punkten steht unser Interesse hinter 
dem anderer Mächte zurück. Immerhin sind wir 
berechtigt und verpflichtet, gleich den anderen 
Mächten an der Reuregelung der Dinge, die 
die Folge des jetzigen Krieges sein wird, mit 
zuwirken, denn an der ökonomischen Gestaltung 
der Dinge auf dem Balkan sind wir sehr we 
sentlich direkt interessiert. Ich erinnere nur an 
die Erhaltung der den türkischen Staatsgläubi 
gern gewährten Sicherheiten. 
Außerdem werden wir bei der Regelung 
mancher Fragen unser Mort zugunsten unserer 
Verbündeten mit in die Magschale zu legen 
haben. Von den Kriegführenden wird das nicht 
bestritten, daß bei der endgiltigen Regelung der 
künftigen Grenzen die Großmächte ihre Inter 
essen zur Geltung bringen können und müssen 
und auf Grund dieser Interessen zur Mitwirkung 
berufen sind. Menn über das Maß der Mit 
wirkung Mischen den einzelnen Großmächten 
und einzelnen der Kriegführenden Meinungs 
verschiedenheiten bestehen oder entstehen, so wird 
den Großmächten die Durchsetzung ihrer For 
derungen wesentlich erleichtert, wenn sie ihre 
Forderungen gemeinsam vertreten. Um dies zu 
erreichen, schwebt ein lebhafter Gedankenaus 
tausch unter den Mächten, über den ich heute 
nichts Räheres sagen kann, da er noch andauert. 
Ich kann aber sagen, daß er bisher in entgegen 
kommendem Geiste geführt wurde und alle Aus 
sichten auf Erfolg bietet. Ratürlich werden die 
Ansprüche der Mächte im einzelnen erst dann 
endgiltig festgestellt und bekanntgegeben werden 
können, wenn die Stipulationen vorliegen, die 
die Kriegführenden unter sich getroffen haben 
werden. Dann wird zu prüfen sein, wieweit sie 
in die Interessensphäre anderer Mächte ein 
greifen. Sollten sich bis dahin, was wir nicht 
hoffen, unlösbare Gegensätze ergeben, so wird 
es Sache der im einzelnen Falle direkt inter 
essierten Mächte sein, ihre Ansprüche zur Gel 
tung zu bringen. 
Das gilt auch für unsere Bundesgenossen. 
Menn sie aber bei der Geltendmachung ihrer 
Interessen wider alles Erwarten von dritter 
Seite angegriffen und damit in ihrer Existenz 
bedroht werden sollten, dann würden wir, un 
serer Bundespflicht getreu, fest und entschlossen 
an ihre Seite zu treten haben und dann würden 
wir an der Seite unserer Verbündeten zur 
Mahrung unserer eigenen Stellung in Europa,
	        
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