Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Die neuen Friedensverhandlungen in London. 
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Die Großmächte sind der Ansicht, daß die 
Erörterung von Abänderungen des Friedens- 
Vertrages Verzögerungen verursachen würde und 
drücken die Hoffnung aus, daß die Türkei und 
die Balkanverbündeten über den Friedensschluß 
einig werden. 
Die türkischen Delegierten standen den von 
den Verbündeten verlangten Änderungen nicht 
sympathisch gegenüber. Sie fanden, daß gegen 
die Abänderungsvorschläge bezüglich der De- 
teils nicht zu viel einzuwenden sei, hielten aber 
die Tatsache, daß überhaupt Abänderungen ver 
langt wurden, für bedauerlich und sahen darin 
eine neue Verschleppung der Unterzeichnung des 
Vorfriedens. Zugleich wurde aber bekannt, daß 
auch die türkischen Delegierten Abänderungs 
vorschläge gemacht hatten, doch wurde nicht mit 
geteilt, worin sie bestanden, und sie bedeuteten 
wahrscheinlich auch nichts anderes als einen 
taktischen Gegenzug gegenüber den Ab 
änderungsvorschlägen der Verbündeten. 
Am 26. Mai, nachmittags 4 Uhr, 
trat die Botschafterreunion zusammen 
und es wurde berichtet, sie habe den 
Wunsch ausgedrückt, daß die Friedens 
präliminarien raschest und ohne Ab 
änderungen unterzeichnet würden. Es 
heißt, die Konferenz habe sich auch mit 
der Frage des eventuellen Abschlusses 
eines türkisch - bulgarischen Separat 
friedens beschäftigt. Bulgarien und die 
Türkei waren ja bereit, den Frieden 
sofort den Vorschlägen der Mächte ent 
sprechend zu unterzeichnen. 
Am 27. Mai teilte das Reutersche 
Bureau mit: 
Staatssekretär Sir Edward Grey 
empfing heute vormittags einzeln die 
Hauptdelegierten der Balkanstaaten. 
Zeder verblieb etwa eine Viertelstunde im aus 
wärtigen Amt. Der Empfang war nach der 
gestrigen Botschafterkonferenz vereinbart worden. 
Staatssekretär Grey teilte dem serbischen 
Delegierten Vovakovic mit, daß die Delegierten, 
die zur Unterzeichnung des Vertrages nicht bereit 
seien, keinen anderen Beschluß erwarten dürfen. 
Sodann verlas der Staatssekretär den Beschluß 
der Botschafter, in dem hervorgehoben wird, 
daß die nutzlosen Verhandlungen schon eine 
Woche gedauert haben. 
Vovakovic antwortete, die Mitteilung des 
Staatssekretärs habe die Lage vollständig ge 
ändert. Er habe nicht alle Hoffnung verloren, 
ein Übereinkommen zustande zu bringen. Ange 
sichts der neuen unerwarteten Haltung der 
Mächte müsse er jedoch den Beschluß seiner 
Regierung mitteilen und die Antwort darauf 
abwarten. 
Staatssekretär Grey soll Dr. Danew erklärt 
haben, daß nach Ansicht der Mächte kein An 
laß mehr zu weiteren Erörterungen vorliege und 
daß der Friedensvertrag, so wie er vorliegt, so 
fort unterzeichnet werden müsse, ohne Rücksicht 
darauf, ob alle Kriegführenden zur Unterzeich 
nung bereit seien oder nicht. Dr. Danew er 
klärte sich bereit, den Vertrag sofort zu unter 
zeichnen. 
Dem griechischen Delegierten Genadios 
machte Staatssekretär Grey die gleiche Mittei 
lung. Er hob hervor, daß jede weitere Erörte 
rung lange Verzögerungen mit sich bringen 
würde und setzte hinzu, daß alle Änderungen, 
die endlose Diskussionen fordern, vermieden wer 
den müssen. Dies sei der Beschluß der Bot 
schafter. 
Der griechische Delegierte erklärte dem Staats 
sekretär, er glaube,diesenBeschlußseinerRegierung 
mitteilen und Instruktionen abwarten zu müssen. 
^libanesisches tzochgebirgstal. 
Beim Empfange des türkischen Chefdelegier 
ten Osman Rizami Pascha gab Staatssekretär 
Sir Edward Grey eine gleiche Erklärung ab, 
wie gegenüber den anderen Delegierten. Osman 
Rizami Pascha erwiderte, die türkische Abord 
nung sei zuerst nach London gekommen, sie sei 
am Tage der Ankunft bereit gewesen, die Frie 
denspräliminarien zu unterzeichnen und sei noch 
immer bereit, sie so bald als möglich zu unter 
zeichnen. Obwohl die Türkei genau so viel 
Interesse daran habe, in dem Wortlaut des 
Vertragsentwurfes Änderungen anzubringen, so 
habe sie sich trotzdem dessen enthalten, in der 
ausdrücklichen Absicht, eine baldige Unterzeich 
nung des Vertrages zu erleichtern. 
Die Großmächte hatten bei den ersten Frie 
densverhandlungen doch etwas gelernt. Ganz 
abgesehen davon, daß die zweiten Verhandlun-
	        
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