Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Das Aachgeben Montenegros. 
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Endlich erschien der König. Er wies auf die 
Interessen des Landes hin, die erforderten, das) 
man sich in diesem Augenblicke vor dem Willen 
Europas beuge. 
„Wir sind von unseren eigenen Verbünde 
ten verlassen", sagte der König, „die den Krieg 
nicht weiter verlängern können. Es wäre Wahn 
sinn, allein einen so furchtbaren Kampf M be 
ginnen. Ich zolle eurer Opferwilligkeit das 
höchste Lob, aber ich kann euch nicht aufmun 
tern, und euch nicht Gefolgschaft leisten. Das 
Schicksal des montenegrinischen Volkes ist mir 
anvertraut, und ich kann es nur dann auf das 
Spiel setzen, wenn auch die Wahrscheinlichkeit 
besteht, das) der Erfolg uns gesichert ist." 
Der König schloj): „Der Krieg würde eine 
neue ruhmreiche Seite der Geschichte der monte 
negrinischen Tapferkeit bilden, aber sie würde 
vielleicht die letzte sein. Rein, ich will so euere 
Geschichte nicht abschließen. Montenegro muß 
noch eine große Rolle in der europäischen Ge 
schichte haben. Geben mir heute nachl" 
Diese Worte des Königs machten auf alle 
einen sehr tiefen Eindruck, und endlich entschloß 
man sich allgemein, nachzugeben. Der Minister 
präsident gab die Demission des Kabinetts. Die 
Bevölkerung war gestern noch nicht in Kennt 
nis davon, daß der König nachgegeben habe. 
Es regnete den ganzen Tag über in Strömen. 
Alle Bewohner hielten sich in ihren Häusern, 
von denen die Fahnen, die anläßlich des Falles 
von Skutari gehißt worden waren, nicht mehr 
flatterten, sondern unter dem Drucke des Regens 
zusammengeschrumpft niederhingen. 
Ein Besuch in Skutari. 
Ehe wir uns der Räumung Skutaris zu 
wenden, sei ein Bericht über einen Besuch ein 
geschaltet, den ein Korrespondent der „Reuen 
Freien Presse" kurz nach dem Räumungs 
beschluß Montenegros der Stadt abstattete. 
Der Korrespondent schreibt aus Sutomore, 
12. Mai: 
Samstag abends traf ich über Virpazar und 
Antivari in Skutari ein. Dort wird die Zensur 
von den Montenegrinern derart durchgeführt, 
daß ich es vorwog, meinen Bericht auf öster 
reichischem Boden auftugeben. Es ist überhaupt 
ein Wagnis, jetzt in Skutari Telegramme auf 
zugeben, auch wenn sie noch so unschuldigen 
Inhalts sind, denn man weiß nie, ob sie weiter 
befördert werden. Ich unternahm deshalb die 
beschwerliche Reise nach Sutomore, der nächsten 
österreichischen Telegraphenstation. 
Ich fuhr Samstag früh von Skutari ab. 
Der kleine Dampfer „Reptun" der italienischen 
Antivarigesellschaft, die den Dienst auf dem 
Skutarisee versieht, langte bereits in der ersten 
Station plavnica mit Verspätung ein. Die 
Dampfer dieser Gesellschaft, die während 
des Krieges ununterbrochen Transporte 
für die montenegrinische Armee zu besorgen 
und keine Zeit hatten, die notwendigsten 
Reparaturen vorzunehmen, sind alle stark 
mitgenommen und haben an Leistungs 
fähigkeit viel eingebüßt, so daß sie nicht 
mit der notwendigen Geschwindigkeit 
fahren können. In plavnica warteten wir 
eine Stunde auf die montenegrinische 
Post, die jedoch nicht kam, so daß wir 
schließlich ohne Post abdampften und mit 
ziemlich großer Verspätung in Virpazar 
eintrafen. Hier erwartete uns eine neue 
unangenehme Überraschung: die Loko 
motive des Zuges, der uns nach Anti 
vari bringen sollte, hatte einen Defekt er 
litten, und da eine Reservemaschine nicht 
vorhanden war, mußte gewartet werden, bis der 
Desekt ausgebessert war. Als wir 'in Antivari 
eingetroffen waren, war es bereits Abend. Hier 
waren neue Schwierigkeiten zu überwinden, um 
nach Sutomore zu gelangen. Barken können 
wegen der Blockade aus Antivari nicht ausführen, 
Wagen und Pferde sind nicht zu bekommen und 
dürften auch die Grenze nicht passieren, und so 
mußte ich denn den Weg zu Fuß Mücklegen. 
Rachdem ich vom Gouverneur in Antivari das 
Attest erhalten hatte, daß ich ein anständiger 
Mensch sei und die Grenze überschreiten dürfe, 
machte ich mich, mit meinem Gepäck beladen, 
auf den Weg und langte nach Istündigem 
Fußmarsch um y 2 J0 Uhr abends in Suto 
more an- 
Die Stadt Skutari bietet ein Bild des 
Jammers und Elends. Überall findet man 
Spuren der monatelangen Belagerung. Schon 
auf der Fahrt nach Skutari werden die Er 
innerungen an den Krieg aufgefrischt. Als ich im 
Drinschlucht.
	        
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