Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Das Aachgeben Montenegros. 
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könne erst nach der Räumung Skutaris darüber 
gesprochen werden. 
Montenegro habe durch seine Verzögerung 
den Ausbruch der Anarchie in Albanien nicht 
verhindern können, so daß sich der Fall ergibt, 
das) Österreich-Ungarn dort eine Aktion zur Her 
stellung der Ordnung einleiten müsse. 
Der Umschwung in Letinje. 
Uber die Vorgänge, die zum Entschluß auf 
den Verzicht auf Skutari geführt haben, wurde 
aus der montenegrinischen Hauptstadt gemeldet: 
Die Gesandten Rußlands, Frankreichs und 
Englands unternahmen einen gemeinsamen 
Schritt bei König Rikolaus, um ihn zu veran 
lassen, Skutari sofort zu räumen und ein be 
waffnetes Einschreiten Österreich-Ungarns hint- 
anzuhalten. Die Gesandten erklärten dem König, 
daß ihre Kabinette sich mit allem Rachdruck 
dafür einsehen würden, daß Montenegro terri 
toriale und finanzielle Kompensationen für die 
Räumung Skutaris erhalte, während für den 
Fall einer Fortsetzung des Widerstandes Mon 
tenegro nicht hoffen könne, in diesen Fragen die 
Unterstützung der Entente zu finden. Dieser 
Schritt der Gesandten der Ententemächte wurde 
durch eine separate Demarche des italienischen 
Gesandten Baron Squitti ergänzt, der König 
Rikolaus und dem Kabinettschef General Mar- 
tinovic dringende Ratschläge im Sinne einer 
Unterwerfung gab. 
Wie in diplomatischen Kreisen verlautet, 
soll der russische Gesandte, Herr v. Giers, 
König Rikolaus eine direkte Mitteilung des 
Zaren überbracht haben, die eine Antwort auf 
ein Handschreiben des Königs ist, in dem König 
Rikolaus die Entscheidung in die Hände des 
Zaren gelegt wissen wollte, jedoch die Forderung 
aufstellte, daß er (der König) bei einem Rach 
geben durch Rußland gedeckt werde und eine 
Satisfaktion für die seinerzeitige Petersburger 
Regierungserklärung erhalte, die der König als 
verletzend empfunden hat. 
Die Schritte der Gesandten der Tripel 
entente Italiens sowie die freundschaftlichen 
neuerlichen Ratschläge Bulgariens und Serbiens, 
die die Unmöglichkeit einer militärischen Hilfe 
dieser beiden Länder bei einem österreichisch 
montenegrinischen Konflikte betonten, veranlaßten 
den König, einen außerordentlichen Rat in den 
Konak zu berufen, an dem die Minister, die 
Prinzen und einige höhere Generale teilnahmen. 
Kur) vorher hatte Erbprinz Danilo eine Unter 
redung mit dem deutschen Gesandten Eckardt. 
In diesem Rat soll sich nach stürmischen 
Szenen ergeben haben, daß die Forderung einer 
weiteren Behauptung Skutaris nicht mehr ein 
mütig erhoben wurde. Der König wollte, wie 
an sonst informierter Stelle verlautete, die Ver 
antwortung ganz in die Hände seiner Räte ge 
legt wissen und es heißt, daß eine Entscheidung 
der Skupschtina herbeigeführt werden sollte. 
An den Londoner Gesandten Popovic gingen 
im Laufe der Rächt Instruktionen ab, die der 
geänderten Haltung Montenegros entsprachen 
und Sir Edward Grey zur Erörterung in der 
Sitzung der Botschafterreunion vorgelegt werden 
sollten. 
Uber den Verlauf des Kronrats berichtete 
der „Corriere della Sera": 
In den letzten 2 Tagen sah sich König 
Rikolaus allmählich von allen verlassen, von 
denen er Hilfe und Aufmunterung glaubte er 
warten zu können. In der Botschafterreunion 
vom letzten Donnerstag hatte keine Macht, wie 
man hier erwartete, eine montenegrofreundliche 
Stellung eingenommen, noch wurde jene inter 
nationale Landung beschlossen, unter deren Druck 
es dem König leichter gewesen wäre, nachzu 
geben. Die Gefahr war also groß, um so mehr, 
als alle slawischen Staaten, die unter diesen 
Umständen eine Bedeutung haben konnten, 
König Rikolaus baten, nachzugeben, da keiner 
von ihnen im gegenwärtigen Augenblicke vor 
bereitet sei, einen Krieg zu unternehmen. Ser 
bien, das direkt interessiert war und in den 
Konflikt hineingezogen worden wäre, da es die 
Pflicht gehabt hätte, Montenegro Hilfe zu 
leisten, bestürmte den König, nachzugeben, weil 
es selbst vom Balkankrieg bereits erschöpft ist und 
noch verschiedene schwere Fragen mit Bulgarien 
zu regeln hat, so daß es mit einem neuen 
Kriege gewiß seinem Verderben entgegengerannt 
wäre und alle Früchte seiner Erfolge zu ver 
lieren Gefahr gelaufen wäre. 
Der italienische und der englische Gesandte 
hatten sich mehrmals in das königliche Palais 
begeben, um König Rikolaus die Schwierigkeiten 
der Lage darzulegen und hervorzuheben, daß 
Österreich-Ungarn absolut nicht weiter warten 
wolle, und daß es demnächst die Feindselig 
keiten beginnen würde. Die Entschließung war 
umso ernster, als seit 3 Tagen die österreichische 
Regierung keine Verbindung mehr mit ihrem 
Vertreter in Cetinje hatte und die Phase der 
diplomatischen Verhandlungen bereits als be 
endet betrachtete. 
König Rikolaus anerkannte die Schwierigkeit 
der Lage. Der letzte Kronrat nahm einen stür 
mischen Verlauf. Die Kriegspartei unter Ge 
neral Martinovic wollte den Widerstand fort 
setzen, während die kleine Friedenspartei ihr 
kaum widerstehen konnte, obgleich sie sich vom 
Willen des Königs unterstützt wußte. Zeitweilig 
war die Verhandlung so erregt, daß man die 
Stimmen der durcheinander redenden Minister 
in allen Räumen des Hauses hören konnte.
	        
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