Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Die Übergabe von Skutari an die Montenegriner. 
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regen um, der jede Annäherung an die Kirche 
unmöglich machte. Tags darauf stürzte der 
Glockenturm ein, das Wahrzeichen der Christen 
heit, das — himmelwärts zeigend — uns bis 
her immer in der Hoffnung bestärkt hatte, das) 
endlich doch eine Erlösungsstunde schlagen 
werde. 
Tag für Tag waren die Konsuln mit bangen 
Fragen bestürmt worden, ob denn keine Aussicht 
auf Hilfe sei, ob es denn wirklich möglich sei, 
das) Österreich, Deutschland und Italien den 
Barbareien der Montenegriner noch länger taten 
los zusehen wollen, ob es wahr sei, das) fran 
zösische Truppen be 
reits im Küstengebiete 
gelandet seien, um die 
Serben und Monte 
negriner zu vertreiben 
u. dgl. m. Und die 
Konsuln konnten nur 
vertrösten und be 
ruhigen; sie wußten 
ja selbst nichts von 
der Außenwelt, von 
den Absichten ihrer 
Negierungen und von 
den schleppenden Ver 
handlungen der Lon 
doner Botschafterkon 
ferenzen. 
Nur ein einziges 
Mal hatte uns ein 
Hoffnungsstrahl durch 
kurze Zeit geleuchtet. 
Am 24. Januar war 
ein Knabe nachts 
durch die doppelten 
Vorposten in die 
Stadt geschlichen; ein 
Pater aus der Ge 
gend von Kalmeti 
hatte ihn zum Prior 
der Franziskaner ge 
sendet und ihm in 
ein Amulett einen Leinwandstreisen einge 
näht, der in italienischer Sprache die Bot 
schaft trug: „Verzaget nicht! Österreich ist be 
waffnet bis an die Zähne; die Armee hat den 
General Conrad zum Feldherrn ausgerufen; der 
Kaiser wird ihn Euch zu Hilfe senden!" Un 
beschreiblicher Jubel erfüllte die Bevölkerung 
von Skutari. Alt und jung strömte in die 
Kirche, auf offener Straße sanken Leute in die 
Knie, um Gott und den großen Kaiser zu prei 
sen, vor Herrn Zambaur und seiner Gattin war 
fen sich die Leute zu Füßen und dankten für 
eine nahe Erlösung, die — nicht in Erfüllung 
gehen sollte. 
Anfangs November hatte ich die letzten 
Balkankrieg. II. 
Nachrichten von meinen Angehörigen und die 
letzten Zeitungen erhalten. Dann waren wir 
allesamt durch mehr als fünf Monate von der 
übrigen Welt abgeschlossen gewesen und ver 
nahmen nur unbestimmte Gerüchte über große 
Ereignisse, die sich zugetragen haben sollten. 
Der Abschluß und das Ende des Waffen 
stillstandes während der fruchtlosen Friedens 
verhandlungen in London sind uns niemals zu 
Ohren gekommen; was über den Fall von 
Janina, von Adrianopel, über die Ermordung 
des Königs von Griechenland u. dgl. bis nach 
Skutari zu dringen vermochte, waren unkontrol 
lierbare Gerüchte vom 
Hörensagen, die zu 
meist nur von jenen 
geglaubt worden sind, 
denen die Tatsache 
erwünscht gewesen ist. 
Auch von der Flotten 
demonstration, der 
Blockade und den 
theoretischen Ret- 
tungsversuchen der 
Großmächte erfuhren 
wir so gut wie nichts. 
Wohl hatte man vom 
Tarabosch anfangs 
April zahlreiche 
Kriegsschiffe beobach 
ten können, von denen 
man ursprünglich ge 
glaubt hatte, es seien 
österreichische oder ita 
lienische, aber da sie 
auf die Lichtsignale 
keinerlei Antwort ga 
ben, auch sonst wochen 
lang nichts unter 
nommen haben, was 
Hoffnung aufRettung 
hätte geben können 
— so neigte man 
schließlich der Über 
zeugung zu, daß es die griechische Flotte sei, 
welche die Zahl unserer Bedränger noch ver 
mehren wolle. 
Die Konsuln wußten ebensowenig wie wir 
übrigen. Sie haben keine Mittel unversucht ge 
lassen, um Nachrichten zu erlangen und solche 
auch nach auswärts gelangen zu lassen; die 
Versuche sind jedoch erfolglos geblieben und so 
gesellte sich zu den Schrecken der Belagerung 
auch noch das beängstigende Bewußtsein, daß 
wir von der Mitwelt abgeschnitten und ver 
lassen seien — ohne die geringste Hoffnung auf 
Rettung. 
Anfänglich hatten die Konsuln abwechselnd 
ihre Kawassen nach San Giovanni di Medua 
Das österreichische Konsulat in Skutari. 
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