Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

392 
Die Übergabe von Skutari an die Montenegriner. 
an 
Gegenteil, es war uns längst klar geworden, 
das) diese mit vollem Bewußtsein die Konsulats 
gebäude als Ziele wählten, in der Erwartung, 
das) die Bitten der Konsuln den Festungskom 
mandanten )ur Übergabe veranlassen würden. 
Jur Ehre der Konsuln mus) es gesagt wer 
den, das) sie, mit Ausnahme desjenigen, der 
vor dem Kriege immer der größte Freund der 
Montenegriner gewesen war, es abgelehnt haben, 
ihre Schuhbefohlenen in schweren Tagen )u 
verlassen, und standhaft auf ihren gefährdeten 
Posten aushielten. Gemeinsam berieten sie die 
Schuhmaßregeln und akzeptierten gerne die tech 
nischen Ratschläge des Herrn von Iambaur, 
eines ehemaligen Generalstabsoffiflers, und der 
zeit k. u. k. Major a. D., in deren Ausfüh 
rung ihm sein italienischer Kollege, Conte Man- 
cinelli, getreulich zur Seite stand. 
Man füllte Säcke mit Sand und Erde, um 
aus ihnen Brustwehren an den gefährdeten 
Häuserfronten )u errichten; man improvisierte 
schrapnellsichere Wände aus Heuballen, die mit 
Draht verstrickt wurden; man stellte in den 
oberen Stockwerken alte, mit Wasser gefüllte 
Petroleumkannen bereit und pöl)te die unteren 
Räume, insbesondere die Kellergewölbe und 
alle diese Arbeiten mußten )umeist im feind 
lichen Feuer ausgeführt werden, angesichts des 
Todes, der ringsum seine Opfer wählte. 
Die Arbeiter, zumeist mohammedanische 
Bosnier, die vor Beginn des Krieges gekommen 
waren, wollten nur dann arbeiten, wenn längere 
Feuerpausen ihnen größere Sicherheit )u bieten 
schienen. Rur Marko, der 90jährige Gärtner 
des österreichischen Konsulates arbeitete mit er 
staunlichem Gleichmut, den er den Türken ab 
geschaut haben mochte. 
Unbarmherzig wurde das Bombardement der 
Stadt fortgesetzt. Jm Kloster der Salesianerinnen 
wurde einer Schwester der Kopf vom Rumpf 
gerissen und mehrere andere wurden verwundet; 
Madame Briot, der greisen Mutter eines frän 
kischen Ingenieurs, wurden Arm und Schulter 
zerfleischt, so daß die Ärmste nach qualvollen 
Schmerlen verblutete; die Arfle in den Spitälern 
mußten aus den Operationsräumen flüchten, 
weil die Granat- und Schrapnellsplitter den 
Aufenthalt unmöglich machten. Bombe auf 
Bombe schlug in die Gebäude der Schulbrüder, 
der Jesuiten, der Franflskaner und der Stig 
matinerinnen ein, selbst das russische Konsulat 
und die orthodoxe Kirche sind nicht verschont 
geblieben. Die Montenegriner waren hiebei so 
gar so aufmerksam und zartfühlend, daß sie dem 
russischen Konsul nur russische Granaten in die 
Fenster schossen. 
Händeringend baten die von Angst, Hunger 
.und Rot entkräfteten Bewohner, man möge sie 
durch Mitrailleusenfeuer niedermachen, um ihre 
Qual )u verkürzen. In den Spitälern mangelte 
es an Ar)neien und an Verbandzeug. Wie arg 
die Gefährdung gerade dieser der Charite ge 
widmeten Gebäude gewesen ist, möge daraus 
ersehen werden, daß diejenigen Kranken und 
Verwundeten, die sich noch fortschleppen konnten, 
aus den Spitälern in die Schützengräben flüch 
teten, wo sie sich weitaus sicherer fühlten. 
Es ist erwiesen, daß die Befestigungen um 
Skutari bei weitem nicht soviel vom Feuer der 
Montenegriner )u leiden gehabt haben, wie die 
Spitäler, Klöster und Konsulate. 
Aus alten Zeitungen entnehme ich jetzt, 
daß die Königin von Montenegro im Monate 
Februar Verbandzeug und Medikamente nach 
Skutari gesendet haben solle. Es ist nicht wahr) 
Es ist eine unverschämte Lüge, denn als Eflad 
Pascha am 25. Februar durch den Parlamentär 
gegen die absichtliche Beschießung der Spitäler 
Protest erheben ließ und um Überlassung von 
Sanitätsmaterial ersucht hatte, antworteten die 
Montenegriner: Erst möge man die gefangenen 
Montenegriner und Serben freilassen, dann erst 
werde man ihm Verbandzeug und Arzneien zu 
kommen lassen. Und wie )um Hohn verdrei 
fachten die schweren Batterien am Tarabosch 
und bei Boksi ihr Feuer, abermals flelsicher 
gegen die Spitäler und Konsulate. 
Am 3. Mär) kam wieder ein montenegrini 
scher Parlamentär, Peter plamenac, und ver 
handelte nochmals wegen Sanitätsmaterial. 
Als die Konsuln der Großmächte von den im 
Zollgebäude geführten Besprechungen erfuhren, 
ersuchten sie Essad Pascha, gestatten )u wollen, 
daß dem montenegrinischen Parlamentär eine 
schriftliche Protestnote an die montenegrinische 
Regierung mitgegeben werde, in welcher die 
Konsuln erneuert gegen die offenkundig absicht 
liche Beschießung der neutralen Gebäude Ein 
sprache erhoben und darin auch )um Ausdruck 
brachten, daß der König Rikolaus sein Ver 
sprechen nicht gehalten habe, welches er am 
5. Rovember durch den österreichischen Militär 
attache schriftlich an das Konsularkorps hatte 
gelangen lassen. Essad Pascha erhob keinen Ein 
wand. Peter plamenac jedoch verweigerte die 
Entgegennahme der Rote unter der Begründung, 
daß er hierzu nicht autorisiert sei. 
Aus den weiteren Leidenstagen will ich 
nur noch den 12. Mär) hervorheben, an dem 
um 7 Uhr abends die katholische Kathedrale — 
seit Wochen die Zufluchtsstätte Hunderter von 
Obdachlosen — in Flammen aufging. Unter 
dem verstärkten Granatfeuer hatte der Dachstuhl 
Feuer gefangen; wehklagend flüchteten die Leib 
an Leib )usammengekauerten Unglücklichen aus 
dem brennenden Gotteshause und während einige 
beher)te Leute herbeieilten um )u löschen und 
)u retten, schlug das Granatfeuer in Schrapnell-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.