Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Die Übergabe von Skutari an die Montenegriner. 
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nach dem Neuesten nur ein Mort: ,,ä demain 
des bonnes nouvelles!" Aber der Ton der 
Rede sagt noch mehr. Ich bin überzeugt- das) 
eine endliche Entscheidung bevorsteht. Um 9 Uhr 
abends hebt plötzlich ein eifriges Schrapnellfeuer 
aller montenegrinischen Positionen vom Bardagnol 
bis Tarabosch an. Merkwürdigerweise platzen alle 
Geschosse in einer für den Zweck der Beschie 
ßung viel zu großen Höhe. Es schaut sich wie 
ein Feuerwerk an. Das merkwürdige Schauspiel 
zu dem wir keine Erklärung finden- dauert die 
ganze Vacht und bringt mich um meinen ver 
dienten Schlaf. 
22. April. Die Meldung von schwebenden 
Kapitulationsverhandlungen scheint sich zu be 
stätigen. Ich besuche den Hügel von Muselimi, 
auf dem sich kaum ein halbes Dutzend Soldaten 
befindet. Man läßt die Sorgfalt beiseite und 
richtet sich in den felsigen Schanzengräben frei 
auf, um neugierige Blicke nach dem nahen 
kleinen Bardagnol und auf die übrigen türkischen 
Lager zu tun. Die Sorglosigkeit scheint auch 
dort zu herrschen- denn die Soldaten ergehen sich 
frei neben den Zelten. Ans Schießen denkt 
keine von beiden Seiten. Es scheint eine stille 
Abmachung zu sein. Und doch fiel gegen Abend 
ein Schuß auf türkischer Seite- der sein Ziel 
nicht verfehlte. Ein Montenegriner hat sich doch 
etwas zu nahe an einem türkischen Schützen 
graben vorbeibewegt. Der Unvorsichtige wird 
abends mit einem bösen Bauchschuß zum Ver 
bandsplatz gebracht. 
23. April. Das Unglaubliche wird wahr. 
Wie ein Lauffeuer geht die Meldung des 
Kommandos durch das Lager: Um 1 Uhr Vor 
rücken in die türkischen Positionen. Ich schlendere 
vormittags durch die Lager. Man packt zu 
sammen, bricht aus den Laubhütten, was des 
Mitnehmens würdig erscheint. Eine Menge 
roter Westen taucht auf. Die Soldaten schmücken 
sich zu dem frohen Ereignis. Einige stopfen 
sogar die gröbsten Löcher in den Hosen. Mcht 
wenige finden es plötzlich notwendig, ihre Ge 
wehre und Pistolen blank zu reiben, und doch 
ist es nicht ausgelassene Fröhlichkeit- die aus 
schlägt. Mehr bedächtige Vergnügtheit und viel 
ruhiges Warten. Der Abschied von den Hütten, 
in denen sie monatelang so manche bittere Ent 
behrung litten, in denen es sich aber doch nicht 
so übel um das stets prasselnde Feuer hockte. 
Das Unterpfand des Friedens, das kleine Benzin 
boot, eilt indessen von Skutari zum monte 
negrinischen Ufer und von da in die Stadt. 
Soweit die Aufzeichnungen. In Skutari 
begab es sich in den nämlichen Tagen also: 
Am 20. April nachts erscheinen vom Brdica 
her 3 serbische Offiziere in der Stadt und 
melden Essad Pascha den Abzug der serbischen 
Truppen, beziehungsweise die Einstellung der 
Feindseligkeiten. Am 21. April schickt Essad um 
11 Uhr vormittags 2 Offiziere nach Rioli. Am 
Vachmittag landen 3 montenegrinische Offiziere, 
worunter General Janko Vukotic, in Skutari 
und werden mit unverbundenen Augen zum 
Kommandanten geführt. (Vach einer Lesung 
blieb Vukotic die Vacht hier und erlebte die 
nächtliche Beschießung der Stadt; nach der 
anderen wären alle drei wieder zurückgefahren.) 
Am 22. April finden die Verhandlungen in 
Jogas, einem Seedörfchen am Fuße des Tara 
bosch statt. Man fährt hin und her. Am 
Abend wird der Vertrag in Skutari unter 
zeichnet. 
Der Kapitulationsvertrag. 
Durch besondere Verbindung war es mir 
möglich, mich in den Besitz des Kapitulations 
vertrages zu bringen, der in wörtlicher Über 
setzung aus dem Türkischen also lautet: 
Skutari, 22., 23. April 1913. 
Bedingungen der Kapitulation der Festung 
Skutari, festgestellt zwischen Sr. kgl. Hoheit 
dem Erbprinzen Danilo, Oberkommandanten 
der montenegrinischen Belagerungsarmee, und 
dem Kommandanten der Besatzung von Skutari, 
Sr. Exzellenz dem Brigadegeneral Essad Pascha. 
1. Alle Soldaten, Vizam, Vedifs, sowie 
alle anderen Reserveklassen werden die Stadt 
mit ihren Waffen, ihrer Munition und ihren 
Lebensmitteln verlassen. 
2. Auch können jene Personen der Bevölke 
rung, welche dies wünschen sollten, sich mit 
Waffen und sämtlicher Habe anschließen. 
3. Die ottomanischen Staatsangehörigen, 
welche sich im Festungsbereich befinden, haben 
keinerlei Plünderung zu befürchten; auch werden 
ihre persönlichen Rechte nicht angetastet werden. 
Jene, welche am Krieg teilnahmen, werden 
nicht bestraft, weil sie hiermit nichts anderes 
als ihre Pflicht der Landesverteidigung taten. 
Besonders wird der muselmanischen wie der 
christlichen Bevölkerung die Unverletzlichkeit ihrer 
Religion, beziehungsweise ihres Ritus, sowie 
die Respektierung ihrer nationalen Sitten ga 
rantiert. 
4. Die militärischen Besatzungen der ver 
schiedenen Positionen werden bei ihrem Abgänge 
außer ihrer persönlichen Habe auch ihr Material, 
Zelte, Decken, Kessel usw. in jener Quantität 
mit sich führen, welche sie zu transportieren im 
stande sind. Zu diesem Zwecke nehmen sie die 
nötigen Wagen und Pferde mit. 
5. Die Funktionäre der Militär- und Zivil 
verwaltung, sowie der Gendarmerie und Polizei, 
welche die Truppen zu begleiten wünschen, haben 
das Recht des freien Abzuges.
	        
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