Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Die Übergabe von Skutan an die Montenegriner. 
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waren die Magazine leer und der Bürgermeister 
von Skutari hatte ihm mitgeteilt, das) in 
zwischen 380 Bürger nachweislich Hungers ge 
storben seien. Anscheinend haben die Monte 
negriner zuerst wenig annehmbare Bedingungen 
gestellt. Schließlich wurden die Unterhandlungen 
zwischen dem Kronprinzen Danilo und Essad 
Pascha zu Ende geführt. Der Vertrag der 
Übergabe enthält 15 Artikel auf 3 Seiten und 
trägt unterm heutigen Datum die Unterschrift 
beider Kommandanten. 
Heute abends hat Effad Pascha mit seinen 
Leuten mit allen militärischen Ehren Skutari 
verlassen; die montenegrinischen Soldaten sahen 
zu, wie ihre Feinde gestern abzogen. Versöhnt 
reichte man sich die Hände und, was wichtiger 
als Hände war, Brotl Gierig griffen die aus 
gehungerten Soldaten darnach. 
Ein Schlußwort sei mir noch gestattet, von 
einer Verräterei Essad Pascha weiß ich nichts; 
Skutari war einfach nicht mehr zu halten; es 
hätte doch fallen müssen; aber unaufgeklärt 
bleibt, weshalb Effad Pascha mit allen militäri 
schen Ehren abziehen durfte. Der Gedanke an 
ein albanesisches Königtum scheint ihm wohl 
erst während der Verhandlungen mit Prinz 
Danilo gekommen zu sein und man hat sich in 
Montenegro natürlich beeilt, diese Lösung sym 
pathisch zu finden . .. 
Diese Andeutung bezieht sich auf spätere 
Meldungen, denen zufolge Essad Pascha für 
sich selbst den albanesischen Königsthron an 
strebte. 
Bei den Belagerern. 
Aus Skutari, Ende April, erhielt die 
„Frankfurter Zeitung" folgenden Bericht: 
In meinem Kriegstagebuch, das ich seit dem 
28. März, dem Tag meiner Ankunft in Boksi, 
einem etwa 3 Kilometer vor Skutari liegenden 
Meiler führte, finden sich über die letzten Tage 
vor der Übergabe Skutaris folgende Ein 
tragungen: 
20. April. Um 9 Uhr früh lassen sich die 
Donnerstimmen der zwei 21 Zentimeter-Hau 
bitzen von Boksi vernehmen, denen bald der 
Ehorus der Feldgeschütze auf der ganzen Ebene 
vom Bardagnol bis zum See folgt. Ich beob 
achtete mit dem Kommandanten auf dem kleinen 
Karstberge, ob Boksi die Mirkung tut. Vach 
jedem Schuß wird dem Soldaten, der mit dem 
Feldtelephon neben dem fernrohrbewaffneten 
Artillerieoffizier steht, eine neue Ordre zugerufen. 
Die Schüsse fallen ausnahmslos in die Stadt. 
Ob irgendein bestimmtes Objekt beschossen wird, 
weiß ich nicht. Vach jedem Schuß der Hau 
bitzen qualmt aus dem grünen Christenviertel 
Skutaris ein schmutziger Vauchkegel auf. Mohin 
die Schrapnells fallen, kann man nie unter 
scheiden, da sie hoch in der Luft krepieren und 
wenig Vauch erzeugen. Auf meine Frage: Mird 
in die Stadt geschossen? antwortet der Offizier 
mit einem leisen Lächeln in den Augen: Vein, 
in die Kasernen. Das war eine liebenswürdig 
ausgedrückte Unwahrheit. Erstens haben die 
Montenegriner immer vermieden, die drei großen 
neuen Kasernenbauten, die mit ihrer vollen Breit 
seite gegen uns liegen, zu zerstören, wohl wissend, 
daß sich kein Türke mehr darin befand, und be 
rechnend, daß die Gebäude doch über kurz oder 
lang in montenegrinischen Besitz gelangen. 
Zweitens besitze ich selbst einen ausgezeichneten 
Ieiß-Feldstecher. Meine Frage war überflüssig, 
aber ich hätte gern eine Bestätigung dessen aus 
dem Munde eines Offiziers, was mir gestern 
ein italienisch sprechender Artillerist vertraute, 
nämlich, daß ausschließlich in die Stadt geschossen 
werde. Die Türken antworten mit sehr spär 
lichen Schrapnells, die sich kaum die Mühe zu 
geben scheinen, die feindlichen Artilleriestellungen 
zu treffen. Vach einer Stunde wird beiderseits 
das Feuer eingestellt. In der Vacht sollen von 
neuem Überläufer aus Skutari im montenegri 
nischen Lager eingetroffen sein, die das alte 
Lied von der großen Bedrängnis wiederholen. 
Der Zivilbevölkerung soll täglich nur ein Sack 
Mehl und ein Ochse zur Verfügung gestellt 
werden. Die Soldaten müßten sich mit Suppe 
und 250 Gramm Zwieback begnügen. Dabei 
bleibt es einem völlig unverständlich, in der 
Umgebung der Stadt zahlreiche Schafherden 
weiden zu sehen. 
21. April. Mein Schlaf in der offenen 
Veranda eines halb zerstörten albanesischen 
Bauernhauses, von wo aus ich, ohne mich aus 
meinem Schlafsack aufzurichten, das reizende 
Stadtbild von Skutari hinter der grünen, breiten 
Ebene erblicken kann, wird schon um 5 Uhr 
durch Kanonendonner gestört. Die Montenegriner 
schicken ihre obligaten Morgengrüße nach der 
Stadt. Die Türken scheinen noch zu schlafen, 
oder schmollen sie? Eine Antwort bleibt auch 
nach wiederholtem Kanonengruß aus. Dafür 
knallten in der Vacht einige Mauser. Um 10 Uhr 
völlige Vuhe. Da kommt die seltsame Kunde, 
daß türkische Parlamentäre in einem kleinen 
Dampfer in Violi-Dobra gelandet seien. Die 
Meldung stößt auf Zweifel, obgleich die völlige 
Waffenruhe während des ganzen Vachmittags 
beinahe wie eine Bestätigung der erfreulichen 
Botschaft klingt. Um 4 Uhr begleitete ich Dr. 
v. peyer auf einem Vitt nach dem am See 
hinter den montenegrinischen Stellungen liegenden 
Borich. Mir wollen den englischen Ärzten einen 
Besuch abstatten. Auf dem Mege treffen wir 
General Becir, der mit seinem Adjutanten 
aus Violi kommt. Cr hat auf unsere Fragen
	        
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